© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

„Working for the Yankee dollar“
Das brasilianische Expeditionskorps FEB im Zweiten Weltkrieg: Washington köderte Rio mit großzügiger Unterstützung
Erich Körner-Lakatos

Nur wenigen ist die Geschichte des brasilianischen Expeditionskorps im Zweiten Weltkrieg bekannt. Am 16. Juli 1944 geht erstmals ein Regiment des größten Staates Südamerikas in Neapel an Land und greift bald darauf in die Kampfhandlungen gegen die deutsche Wehrmacht ein. Dabei hat die Regierung in Rio bereits fast zwei Jahre zuvor, am 22. August 1942, dem Deutschen Reich und Italien den Krieg erklärt. Der Grund: Kurz davor hatten Torpedos eines deutschen U-Boots (U 507) fünf brasilianische Küstendampfer auf den Grund des Meeres geschickt, 607 Seeleute fandendabei den Tod. 

Mit der Kampfansage an die Achse beendete Brasilien damit seine Schaukelpolitik. Denn zuvot hatte der brasilianische Präsident Getúlio Dornelles Vargas, ein blendender Taktiker, die USA hingehalten und damit den Preis für eine Teilnahme am Krieg hochgeschraubt. Eigentlich wollte Vargas sein Land aus dem Krieg heraushalten. Noch am 6. November 1941 lehnen Kriegsminister Enrico Gaspar Dutra und Generalstabschef Pedro de Góes Monteiro das Ansinnen Washingtons nach Errichtung von US-Stützpunkten ab. Sollte Washington Truppen ohne vorhergehende Zustimmung landen, so Dutra unverblümt, würden brasilianische Soldaten das Feuer eröffnen. 

Dreiviertel der gesamten US-Militärinvestitionen

Angesichts des wachsenden Drucks aus Washington mußte der Präsident seine Linie jedoch ändern. Dazu galt es jedoch auch, Widerstände im Inneren zu überwinden. Achsenfreund de Góes Monteiro und große Teile des Offizierskorps der 93.000 Mann starken Armee lehnten eine Kriegsbeteiligung ab. Aber die Aussicht, daß US-Gelder für Lateinamerika – wie im erfolgreichen Calypso-Schlager „Rum and Coca Cola“ der Andrews Sisters aufs Korn genommen – auch in den Amazonas-Staat fließen, um die schwächelde Wirtschaft anzukurbeln, bewirken bald einen Sinneswandel zum „working for the Yankee dollar“. 

Spätestens nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 wird die Frage nach der Positionierung akut: Brasilien kappt umgehend alle Kontakte nach Tokio, Berlin und Rom. Im Januar 1942 ist Rio Schauplatz einer Außenministerkonferenz; beinahe alle Staaten des Kontinents brechen die Beziehungen zur Achse ab, die Ausnahmen sind Argentinien und Chile. Präsident Vargas und sein US-freundlicher Außenminister Oswaldo Aranha werten die Parteinahme als unschätzbaren Vorteil gegenüber dem Rivalen Argentinien, wo eine achsenfreundliche Militärregierung das Land auf Neutralitätskurs hält.  

US-Präsident Franklin D. Roosevelt bemüht sich sogar persönlich um Brasilien. Im Februar 1942 versucht er, Vargas zu einem militärischen Engagement zu überreden, wobei das Versprechen einer finanziellen Unterstützung einen wesentlichen Teil bildet. Der schlaue Autokrat, der seit 1937 per Dekret den Estado Novo (Neuer Staat) nach dem Vorbild Antonio de Oliveira Salazar im ehemaligen Mutterland Portugal proklamiert hatte, ziert sich jedoch noch. In den nächsten Monaten bessert Wa-shington seine Offerte nach – Brasilien sollte danach tatsächlich bis Mai 1945 dreiviertel der gesamten US-Militärinvestitionen für Lateinamerika erhalten. 

Nun ist Vargas am Zug. Binnen kurzer Zeit entwickelt sich Brasilien zu einer der Nachschubbasen für die westlichen Alliierten. Natal, die Stadt an der Nordostspitze des Landes, wird zum größten Militärflughafen der Welt. Die Regierung in Rio liefert strategisch wichtige Rohstoffe (Eisen, Mangan, Nickel, Zinn) sowie große Mengen an Fleisch und Getreide. Diese Lieferungen werden bald auch zum Zielobjekt des deutschen U-Boot-Krieges im Atlantik, wo die Versenkung eines Konvois im Sommer 1942 den formellen Anlaß zum Kriegeintritt bietet.

Kurz danach wird ein militärisches Kontingent aufgestellt, ausgerüstet und trainiert durch die US-Amerikaner. Dieses schifft sich schließlich zwischen Juli und September 1944 nach Italien ein und kämpft an der Seite der fünften US-Armee von General Clark. Die Força Expeditionária Brasileira (FEB) unter dem Befehl von General Mascarenhas de Morais umfaßt 25.300 Mann an Bodentruppen sowie ein Jagdfliegergeschwader. Das Korps schlägt sich nach anfänglich empfindlichen Verlusten gegen die kampferprobte Wehrmacht recht wacker. Im Herbst 1944 gerät der Vormarsch der Alliierten jedoch nördlich von Florenz ins Stocken, die Wehrmacht verschanzt sich in der sogenannten Gotenlinie zwischen La Spezia und Rimini und hält die Front bis Ostern 1945. So überwintert das brasilianische Korps in seinen Stellungen am Apennin.  

Als am 9. April 1945 die Frühjahrsoffensive der US-Amerikaner beginnt, ist die FEB mit von der Partie und marschiert in der Schlußphase des Italienfeldzuges Richtung Turin. Ende April 1945 ergibt sich die  deutsche 148. Infanteriedivision den Brasilianern. Die achtmonatigen Kämpfe fordern 454 Gefallene, die fast alle auf dem Soldatenfriedhof in Pistoia in der Toskana ruhen, und 2.722 Verwundete. Im Mutterland erinnert – neben einer Gedenkstätte in Rio – ein Museum in Curitiba (Bundesstaat Paraná) an die Kämpfer der Força Expeditionária Brasileira.