© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

Facebook muß Schadensersatz für Sperre zahlen
NetzDG: Ein Berliner Gericht hat die Sanktion für rechtswidrig erklärt / Das Löschen geht unterdessen weiter
Gil Barkei

Knapp sechs Monate nach Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) muß Facebook erstmals Schadensersatz für die 30tägige Sperre eines Nutzers zahlen. Das Amtsgericht Berlin-Schöneberg erklärte die Sanktion für rechtswidrig und sprach in einem Versäumnisurteil vom 22. Mai einem Kläger 1.500 Euro zu – 50 Euro für jeden gesperrten Tag. 

Dem Nutzer wurde der Zugriff auf sein Profil verwehrt, da seine Beiträge gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen hätten. Welche Beiträge und welche Formulierungen dies genau gewesen sein sollen, gab das soziale Netzwerk jedoch auch nicht auf Nachfrage bekannt. 

„Es kommt seit Inkrafttreten des NetzDG häufiger vor, daß Facebook die Sperren gar nicht mehr begründet. Ob das nur Chaos in den Löschzentren ist oder eine Masche, um das Vorgehen dagegen zu erschweren, können wir nur vermuten“, erklärte der Anwalt der Klägerseite, Christian Stahl. Facebook müsse nun Auskunft darüber erteilen, „wer die Sperrung vorgenommen hat, und ob es staatlichen Einfluß gegeben hat“. Dies bedrohe die gesamten „willkürlichen Zensurmaßnahmen des Unternehmens“ und zwinge es hoffentlich dazu, „sich endlich klar gegen das NetzDG zu positionieren“. Die US-Firma kann allerdings noch Einspruch gegen das Urteil einlegen. Stahl geht davon aus, „daß Facebook alle Instanzen ausschöpfen wird“.

Derweil wurde durch eine Anfrage des Handelsblatts deutlich, daß sich sehr viel weniger Nutzer wegen mangelnder Löschungen in den sozialen Medien beschwert haben als im Vorfeld erwartet worden war. Wie das Bundesamt für Justiz (BfJ) mitteilte, sind bis Ende Mai über das Online-Formular knapp 400 Meldungen eingegangen. Die Behörde ging von etwa 25.000 Meldungen und 500 Bußgeldverfahren im Jahr aus.

Der FDP-Digitalpolitiker Jimmy Schulz befürchtet gegenüber dem Handelsblatt, „daß die Zahl deswegen so gering ist, weil Facebook sich im Zweifel für das Löschen eines Beitrags entschieden hat, statt eine Strafe zu riskieren“.

Dies könnte auch ein Grund gewesen sein beim massiven Löschen zahlreicher Facebook- und Instagram-Profile der Identitären Bewegung (IB) Ende vergangener Woche. Unter anderem verschwanden die Hauptseiten der IB Deutschland und der IB Österreich. Begründung: „Organisationen oder Personen, die organisierten Haß verbreiten, sind weder auf Facebook noch auf In­stagram erlaubt.“ Auf welche Beiträge auf den abgeschalteten Seiten dies genau zutreffe, teilte Facebook auch hier nicht mit. Eine Anfrage seitens der JF blieb bis Redaktionsschluß unbeantwortet.