© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/18 / 01. Juni 2018

Frisch gepresst

Philosophen. Etwa 250 Dozenten lehrten an den Universitäten, Technischen Hochschulen, Pädagogischen Akademien, katholischen oder jüdischen Lehranstalten der Weimarer Republik das Fach Philosophie. Aus dieser stattlichen Schar wählt Wolfram Eilenberger, langjähriger Chefredakteur des Philosophie Magazins, ganze vier Meisterdenker aus. Darunter nur zwei beamtete Professoren, Martin Heidegger und Ernst Cassirer, und zwei Außenseiter, den Publizisten Walter Benjamin und den nach England ausgewanderten Ludwig Wittgenstein. Um das „große Jahrzehnt der Philosophie“ der 20er repräsentativ abzubilden, reicht eine so kleine Auswahl, die Denker wie Nicolai Hartmann, Max Scheler, Edmund Husserl und Ernst Troeltsch ausspart, sicher nicht. Um so weniger, als Eilenberger sich bei Heidegger stark auf Rüdiger Safranskis bedauernswerte Biographie „Ein Meister aus Deutschland“ stützt und bei Cassirer nur die platte Hagiographie Thomas Meyers aufzukochen vermag. Der „begabteste Vermittler von Geistesgeschichte im deutschsprachigen Raum“ (Verlagswerbung) bewegt sich mit dieser Personaldecke und relativ schmaler Quellenbasis daher zwangsläufig auf der Grenze zwischen didaktisch verzeihlichen Holzschnitten und schrecklichen Vereinfachungen, wobei Zugeständnisse an kitschigste Klischees (Heidegger: „Idealbild eines zum Denken gespannten Daseins“) nicht selten sind. (dg)

Wolfram Eilenberger: Zeit der Zauberer. Das große Jahrzehnt der Philosophie 1919–1929. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2018, gebunden, 430 Seiten, Abbildungen, 25 Euro





Polnische Mythen. „Sinn- und orientierungsstiftend“ zeigen sie sich und weisen in der Geschichtspolitik „unerschütterlich Standfestigkeit“ auf – als Fluch oder auch als Segen. Im aktuellen Jahrbuch des Darmstädter Polen-Instituts analysieren 16 vorwiegend polnische Beiträger identitätsstiftende Mythen für die nationale Massenkultur unseres östlichen Nachbarn. Dabei überwiegen Themen des 20. Jahrhunderts wie die „Oktoberrevolution von 1956“, die Solidarnosc oder der inzwischen ausgeträumte „Traum von Europa“ nach 1990. Allzu heikle Themen, wie das brisante polnisch-jüdische Verhältnis, werden leider nur angeschnitten, oder – wie der wirkungsmächstigste polnische Mythos von den 1945 im deutschen Osten „wiedergewonnenen Gebieten“ – weitestgehend ausgeklammert. (bä)

Deutsches Polen-Institut (Hrsg.): Jahrbuch Polen 2018. Mythen. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2018, broschiert, 229 Seiten, Abbildungen, 15 Euro