© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/18 / 01. Juni 2018

Brexit-Illusionen über den souveränen Nationalstaat
Multiple Verflochtenheiten
(dg)

Der an der Londoner Queen-Mary-Universität lehrende deutsche Literaturwissenschaftler Rüdiger Görner trommelt seit zwei Jahren auf allen möglichen Kanälen gegen die Entscheidung seines Gastlandes, aus der EU auszusteigen. Sein Anti-Brexit-Furor tobt sich in hiesigen Medien aus, verschmäht aber auch ehrwürdige Fachzeitschriften wie das im 19. Jahrhundert gegründete Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen (Band 254/2017) nicht. Als in der Wolle gefärbter europaseliger Bundesrepublikaner kann Görner die mit Blick auf die verheerenden Auswirkungen von „Globalisierung und Migration“ getroffene britische Entscheidung für mehr demokratische Selbstbestimmung und nationale Selbstbehauptung nur als Symptom einer „national codierten ansteckenden Erbkrankheit“ diagnostizieren (JF 21/18). Nichts, so belehrt Görner nun auch seine philologischen Kollegen, sei „in unserer Zeit der multiplen Verflochtenheiten illusionärer als der Glaube an eine unanfechtbare nationalstaatliche ‘Souveränität’“. Das werde auch Premierministerin Theresa May bald merken, die heute verspreche, „nach vollzogenem Brexit über die Einwanderung autonom entscheiden“ zu können. Es zeuge von einer verfehlten Strategie, mit „Einwanderungshorrorszenarien“ gegen Migration zu kämpfen und gleichzeitig um ausländisches Kapital zu werben. 


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