© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/18 / 01. Juni 2018

„Für Demokratie und Meinungsfreiheit“
Demonstration: Mehr als 5.000 Anhänger der AfD protestieren in Berlin friedlich gegen die Große Koalition
Martina Meckelein

Ein wenig unglücklich tippelt eine junge Frau vom Washingtonplatz in Berlin Richtung Spree. Ihr Ziel ist die Fußgängerbrücke über die sie gehen muß, um unter ihresgleichen zu gelangen. „Ich bin Anne Helm“, stellt sich die junge Frau einem ebenso jungen Mann vor. Sie habe sich unter die AfD-Demonstranten vor dem Hauptbahnhof begeben. Doch dort sei sie, die Abgeordnete der Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus, erkannt und abgewiesen worden. Wen, außer der jungen Dame, die schon mal in die Schlagzeilen geriet, weil sie als Femen-Aktivistin Dresdener Bomben-Opfer verhöhnte, sollte das verwundern? Sicherlich Irmela Mensah-Schramm. Die in der linksextremen Szene beliebte „Antifa-Aktivistin“ hatte sich ebenfalls auf dem „Antreteplatz“ eingefunden, wie es im Polizeibericht steht, allerdings mit einem Anti-AfD-Plakat. Einsatzkräfte überprüften sie. „Hierbei leistete die Frau Widerstand“, so steht es im Bericht. Jetzt haben die Polizisten eine Anzeige von Schramms Rechtsanwalt wegen Körperverletzung im Amt auf dem Tisch.

Rollstuhlfahrer, Kinder mit Deutschlandfahne

Es ist ein irritierendes Bild, das die Linksextremen, die Bunt-Fraktionäre und viele Medien von sich selbst und von der AfD-Demonstration am vergangenen Sonntag in Berlin zeichnen: Hier die guten Linken – da die bösen Rechten. „Unter dem Slogan „Stoppt den Haß“ haben 120 Organisationen in Berlin zu einer Gegendemonstration gegen die AfD aufgerufen“, berichtet der Deutschlandfunk. Offenbar eine Realitätsverzerrung.

Es sind Frauen, Männer, Rollstuhlfahrer, Kinder, die mit der Deutschlandfahne bei strahlendem Sonnenschein auf dem Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof stehen. Sie lachen. Sie schütteln Hände, umarmen sich. Der AfD-Aufruf, unter dem Motto „Zukunft Deutschland“ nach Berlin zu kommen, ist ein voller Erfolg. Zwar hatte der Veranstalter erst mit 10.000 Teilnehmern gerechnet, um dann die Erwartung auf 2.500 zu reduzieren, was die Häme der Presse zur Folge hatte. Um 11.30 Uhr, eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn, stehen allerdings schon an die 5.000 auf dem Bahnhofsvorplatz. Und es werden immer mehr. Die Schlangen vor den Einlaßkontrollen der Polizei werden immer länger. Es sind nicht nur Deutsche vor Ort. Vesna Jovicic ist Kroatin. Die 62jährige Kaufmännische Angestellte lebt seit 35 Jahren in Berlin. „Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft Deutschlands und Europas. Ich selber habe schon Angst, auf die Straße zu gehen, und dann sehe ich, wie hier sogar Polizisten durch Linksextremisten angegriffen werden. Für mich ist deshalb die AfD die wirklich einzige Alternative, um unsere Zukunft zu retten.“ 

Von der schwarzen Bühne herab begrüßen derweil Guido Reil und Steffen Königer die einzelnen AfD-Landesverbände. Bayern, Thüringen, Berlin – immer wieder brandet Applaus auf. Und die Rufe: „Merkel muß weg.“ 

Gegenüber an der Spree, den Reichstag im Rücken, die Gegendemonstranten – 25.000 sollen es sein. Unter dem Motto „Hauptsache es knallt“ will die Berliner Club- und Open-Air-Szene die AfD „wegbassen“. Auf dem Wasser schippern Berliner Floßkollektive. Ihr Protest hat den Titel: „Nie wieder!“ Was einen AfDler zur rhetorischen Frage ermuntert: „Ist das ein Versprechen?“ Insgesamt haben die AfD-Gegner 14 Versammlungen angemeldet.

Doch auf dem Washingtonplatz werden sie nicht gehört. So wie umgekehrt die Linken nicht hören, wie die Demonstranten ihrer Rednerin, der Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch, mit dem Ständchen „Zum Geburtstag viel Glück“ zu ihrem Ehrentag gratulieren. Als der AfD-Demozug sich in Bewegung setzt, schreien die Linken: „Ganz Berlin haßt die AfD.“ Ihnen schallt „Ganz Berlin haßt die Antifa“ entgegen. Doch dieser Tag ist anders. 

Der Plan der Linksextremisten, den Demonstrationszug durch Sitzblockaden und Übergriffe so zu behindern, daß er nicht zum Brandenburger Tor gelangt, scheitert. Die Berliner Polizei hat ihre Zusage an die AfD, sie werde ihr Ziel erreichen, wahrgemacht. Trotz aller möglichen Anschläge gegen die Partei im Vorfeld des Sonntags – die Demonstranten lassen sich nicht einschüchtern. „Wir sind hier, um Flagge zu zeigen“, sagt Wolfgang Röll, AfD-Kreissprecher aus Stuttgart. „Für Demokratie und Meinungsfreiheit, das wollen wir unterstützen und erhalten.“ Er und sieben weitere Parteifreunde, unter ihnen zwei Mitglieder mit kroatischen und kurdischen Wurzeln, sind in einem gemieteten Mercedes-Kleinbus nach Berlin gefahren. 

Dabei ahnt Röll nicht, daß sie abends eine Anzeige bei der Polizei wegen Sachbeschädigung und Beleidigung stellen werden. „Eine junge Frau und ein Mann, vielleicht 19 Jahre alt, zeigten uns den Stinkefinger, und dann bewarfen sie uns mit irgendwas. Wir konnten das Pärchen stellen. Die Polizei ermittelt jetzt.“

Auch Claus Grugelke aus Hildesheim wird Opfer eines Anschlags. Als er unter der S-Bahnbrücke in der Luisenstraße durchspaziert, kippen, so der Polizeibericht, Unbekannte eine schwerölhaltige Flüssigkeit von der Brücke. Grugelke und weitere Personen werden getroffen. „Wenn ich nicht meine Sonnenbrille aufgehabt hätte“, sagt er, „hätte es meine Augen erwischt. Ich habe Glück gehabt.“

Doch die AfDler ziehen unbeirrt weiter. Immer wieder versuchen Linksextreme in Gruppen von 20 bis zu 300 Personen die Polizeiketten zu durchbrechen und die Demonstranten anzugreifen – vergebens. Am Brandenburger Tor erwartet die AfDler wiederum eine riesige Bühne. Der Himmel zieht sich zu. Es nieselt, als Alexander Gauland um kurz vor 15 Uhr die Demonstranten begrüßt. „Ein herrliches Bild von hier oben“, sagt er und blickt auf das Fahnenmeer, das sich vor der Bühne ausbreitet: „Noch sind wir nur ein Teil des Volkes, doch wir werden immer mehr. Und wir werden die anderen Mores lehren!“ „Widerstand“, rufen ihm die Teilnehmer entgegen. „Unser Protest wird bleiben, bis wir Verantwortung übernehmen“, verspricht Gauland. Um 15.15 Uhr ist die Demonstration mit dem Singen der Nationalhymne beendet.

Von Linken bedrängt       und bedroht

Über die Dorotheenstraße gehen die Teilnehmer zum Bahnhof Friedrichstraße. Unterwegs beklatschen die AfD-Demonstranten die Polizei, zeigen mit dem Daumen nach oben, lächeln und bedanken sich so bei den Beamten. Ist auf dem Bahnhof Friedrichstraße noch alles ruhig, werden die abreisenden AfD-Leute auf dem Hauptbahnhof mitten in der Bahnhofshalle von Tausenden Linken bedrängt und bedroht. Unter Johlen werden ihnen Deutschlandflaggen entrissen. Währenddessen greifen hundert teils Vermummte einen Polizei-Einsatzwagen an. Zwei weitere Fahrzeuge setzen Linksextremisten in Brand.

Insgesamt zählt die Polizei 15 verletzte Polizisten, 25 Personen wurden vorübergehend festgenommen, 23 Strafverfahren eingeleitet.





Aufrufe zu Gewalt in Augsburg

Mit dem roten Kreis in der Mitte und einem gelben Streifen am oberen Rand sieht das kleine Büchlein aus wie ein Reiseführer der bekannten Marke Marco Polo. Doch statt dessen steht dort „Riot Maker“ – zu deutsch: „Krawallmacher“. Es ist eine Broschüre für die linksextreme Szene, die zum AfD-Bundesparteitag am letzten Juni-Wochenende in Augsburg erwartet wird. Darin gibt es neben Stadtplänen, einer Liste mit Hotels, in denen AfD-Mitglieder übernachten könnten, sowie einer Aufstellung aller Polizeidienststellen Augsburgs auch Anleitungen für Farb- und Brand-attacken, den Bau von Nagelbrettern, Straßenblockaden mit Autoreifen und „Glasbruch“. Als mögliche Ziele werden die Adressen zahlreicher AfD-Büros und Geschäftsstellen aufgeführt. Hinzu kommen als „Kollaborateure“ Gaststätten, die der AfD in der Vergangenheit bereits Räumlichkeiten vermieteten. Auf der Internetseite des Reiseführers finden sich zudem noch die Privatadressen etlicher AfD-Funktionäre, teilweise ergänzt um Handynummern und E-Mail-Adressen. Zudem listet der Reiseführer für Krawalltouristen die Parteizentralen von CSU, SPD und Bayernpartei in Augsburg sowie die Häuser dreier Studentenverbindungen, das Karrierecenter der Bundeswehr sowie Denkmäler und die Stadtbibliothek auf. Mit Attacken auf den AfD-Parteitag rechnet auch der bayerische Verfassungsschutz. . „Wir gehen davon aus, daß auch überregional autonome Aktivisten in größerer Zahl anreisen werden“, sagte ein Sprecher der Behörde der JUNGEN FREIHEIT. Auf mehreren Internetseiten werde derzeit mobilisiert. „Die Diktion ist dabei einschlägig, Anleitungen für Farbangriffe, Sachbeschädigungen, Straßenblockaden und Brandstiftungen werden verbreitet.“ (krk)