© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/18 / 01. Juni 2018

Treu gedient, Treue verdient
Veteranen: Noch immer hat die Bundeswehr kein ausgereiftes Konzept für den Umgang mit ihren Soldaten aus den Auslandseinsätzen
Peter Möller

Seit dem faktischen Ende der Wehrpflicht in Deutschland im Jahr 2011 herrscht bei der Bundeswehr Personalnot. Die Truppenstärke liegt derzeit knapp unter 180.000 Soldaten. Und daran dürfte sich trotz aller Versuche von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Attraktivität der Bundeswehr zu erhöhen, in absehbarer Zeit wenig ändern.

Vielleicht ist die Antwort auf die Frage, warum die Anziehungskraft der Truppe auf junge Männer und Frauen zu wünschen übrigläßt, nicht in der Ausstattung der Kasernen mit Flachbildschirmen zu finden, sondern in einem Keller des Zentrums Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz. Dort sollen gerüchteweise die unter von der Leyens Amtsvorgänger Thomas de Maizière (CDU) beschafften 10.000 Veteranenabzeichen lagern, berichtet der Fachblog „Augen geradeaus“.

Begriff Veteran noch nicht einmal genau definiert

Die Tatsache, daß die silbernen Abzeichen in Form des Eisernen Kreuzes mit dem Bundesadler bislang nicht ein einziges Mal verliehen wurden, macht schlaglichtartig eine Leerstelle der Bundeswehr deutlich: Sie hat im Gegensatz zu vermutlich allen anderen Armeen der Welt bis heute kein Konzept für den Umgang mit ihren „Veteranen“. Ein Umstand, der die mangelnde Wertschätzung des Soldatenberufes in Deutschland illustriert und ganz sicher nicht der Nachwuchsgewinnung dienlich ist.

Bislang gibt es noch nicht einmal eine amtliche Definition, was unter dem Begriff Veteran überhaupt zu verstehen ist. Handelt es sich um alle ehemaligen Soldaten, die in der Bundeswehr gedient haben? Oder nur um jene, die an einem Auslandseinsatz teilgenommen haben, die sogenannten Einsatzveteranen? Oder dürfen sich mit der Bezeichnung sogar nur die Soldaten schmücken, die aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen haben?

Es ist das Verdienst von de Maizière, daß diese Fragen innerhalb der Bundeswehr überhaupt diskutiert werden. Denn bis zu seinem Vorstoß im Jahr 2012, einen Veteranen-Tag einzuführen, um damit ehemalige Soldaten für ihren Dienst in der Bundeswehr zu würdigen, war das Thema in Deutschland quasi tabu. Zu groß war nicht zuletzt bei der politischen Führung die Angst, in der Öffentlichkeit in Diskussionen verwickelt zu werden, ob ehemalige Soldaten der Wehrmacht auch als Veteranen anzusehen sind. Über derlei Bedenken ist mittlerweile die Zeit hinweggegangen.

Doch davon abgesehen ist bei der Betreuung und Versorgung von Soldaten, die aus dem Dienst ausgeschieden sind beziehungsweise ausscheiden mußten, in den vergangenen Jahren dennoch bereits manches verbessert worden, auch wenn es nach Ansicht des ehemaligen Zeitsoldaten und Buchautors Björn Schreiber („Die unsichtbaren Veteranen“, JF 13/16) noch Verbesserungspotential gibt. „Die Wehrdienstbeschädigungsverfahren dauern immer noch zu lange. Glücklicherweise ist durch die vom Verteidigungsministerium eingerichteten Stellen wie den Beauftragten für Einsatzschädigungen (PTBS-Beauftragter) oder auch die Koordinierungsstelle im Verteidigungsministerium einiges in Bewegung gekommen, um Kameraden zu helfen, um beispielsweise in ein Wehrdienstverhältnis besonderer Art zu kommen“, meinte Schreiber, der auch im Verband Deutscher Einsatzveteranen mitarbeitet, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Doch auch er sieht die Unklarheit bei der Bezeichnung Veteran als Manko an: „Muß man nur ehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen sein oder auch im Einsatz gewesen sein? Und vor allem dann: Hält die Bundeswehr Kontakt zu Veteranen im Sinne einer Nachsorge?“

Neben den notwendigen materiellen Forderungen geht es auch Schreiber um eine sichtbare Würdigung, etwa durch Orden und Abzeichen, die bei Soldaten hochgeschätzt seien. „Ob das Veteranenabzeichen das richtige Symbol ist, mag diskutabel sein. Aber es wäre ein Symbol der sichtbaren Wertschätzung. Zumal ich über die Anzahl der verliehenen Abzeichen auch eine Zahl der Veteranen hätte und im optimalen Fall sogar eine Datenbank für die Nachsorge“, sagt Schreiber.

Für den verteidigungspolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Lucassen, ist es eine „Schande“, daß es bisher noch kein Veteranenkonzept gibt: „Die Bundesrepublik Deutschland macht seit fast 30 Jahren Soldaten zu Veteranen. Hunderttausende Männer und Frauen tragen die Einsatzmedaille der Bundeswehr“, sagte er der jungen freiheit. „Es ist nicht nur eine Frage des Anstands, daß der Staat sich um jene kümmert, die im Auftrag des Parlaments ihr Leben und ihre Gesundheit in Auslandsmissionen einsetzten“, so der ehemalige Berufsoffizier. Eine Konzeption für Veteranen sei auch für die Nachwuchsgewinnung entscheidend. „Junge Leute müssen sehen, daß sie auch nach ihrem Dienst in den Streitkräften die entsprechende Anerkennung finden.“

Doch derzeit spricht wenig dafür, daß Ursula von der Leyen der eingeschlafenen Diskussion über ein Veteranenkonzept in der Bundeswehr in absehbarer Zeit neue Impulse gibt. Vermutlich müssen die silberglänzenden Eisernen Kreuze also noch länger ein Kellerdasein fristen.