© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/18 / 01. Juni 2018

Ländersache: Bayern
Auf dem Weg in den Polizeistaat?
Thorsten Brückner

Auch eine Woche nach seinem Inkrafttreten erhitzt das bayerische Polizeiaufgabengesetz weiter die Gemüter zwischen Hof und Garmisch-Partenkirchen. Die Landtagsopposition sieht den Rechtsstaat in Gefahr. SPD und Grüne haben eine Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen das CSU-Prestigeprojekt im Wahljahr angekündigt. Die SPD hat zudem vor, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.

Im Fokus der Kritik steht dabei die schwammige Formulierung der „drohenden Gefahr“, bei der es der Polizei künftig erlaubt sein soll, Überwachungen, DNA-Tests und Online-Durchsuchungen zu veranlassen. Bisher verfügten die Beamten erst bei einer „konkreten Gefahr“ über entsprechende Möglichkeiten. Während die CSU die Ausweitung der polizeilichen Kompetenzen mit der Bedrohung durch den globalen Terrorismus rechtfertigt („Das Gesetz wird Leben retten“), sprechen die im Freistaat gegen die Bedeutungslosigkeit kämpfenden Sozialdemokraten von einem „illiberalen Gesetz“. 

Die CSU hat mittlerweile eine schlechte Kommunikation eingeräumt und will gegensteuern. Die Umsetzung  des Gesetzes soll eine Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Karl Huber, überwachen. Im Freistaat gilt Huber als eine Autorität in Verfassungsrechtsfragen.

 Weniger gut kam hingegen der Vorstoß von Ministerpräsident Markus Söder an, Polizisten in die Schulen zu schicken, um dort über das Gesetz  „aufzuklären und Fragen zu beantworten“. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Bayern hatte dazu eine eindeutige Meinung: „Erst beschließen, dann informieren, so handelt ein Obrigkeitsstaat.“ Polizisten in die Schulen zu schicken, um Versäumnisse der Staatsregierung auszubügeln, gehe gar nicht, betonte ihr Vorsitzender Anton Salzbrunn.

 Auch auf der Straße sind die Proteste unüberhörbar. Nach der Großdemonstration vom 10. Mai mit 30.000 Teilnehmern in der Landeshauptstadt München protestierten vergangene Woche in verschiedenen bayerischen Städten erneut jeweils mehrere hundert Bürger gegen das Gesetz. Kritik kommt aber auch vom Landesbeauftragten für Datenschutz, Thomas Petri. „In der Summe sind das so viele neue Maßnahmen, die verfassungsrechtlich auf Kante genäht sind, daß das einfach problematisch ist“, sagte er im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Die Polizei dürfe künftig etwa Taschen nicht mehr nur auf gefährliche Gegenstände untersuchen, sondern auch den Inhalt mitgeführter Speichersticks sichten. „Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ich das ganze Leben einer Person, das auf einem Speicherstick abgebildet ist, zur Kenntnis nehme, oder ob ich einen Rucksack durchsuche, ob da Pyrotechnik drin ist“, monierte Petri. 

Die Franken, Schwaben und Altbayern sind unterdessen gespalten. 46 Prozent befürworten das neue Gesetz, 44 Prozent lehnen es laut einer GMS-Umfrage im Auftrag von Sat.1 Bayern ab. Neben CSU-Wählern (65 Prozent) bewerten nur Anhänger der AfD (59 Prozent) die neuen Kompetenzen für die Polizei positiv. Die Mehrheit der Anhänger von SPD, Grünen, Freien Wählern und der FDP ist dagegen.