© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

Gutes Marketing schlägt Tradition
Das „österreichische Zippo“: Erinnerungen an Sturmfeuerzeuge „Made in Austria“
Paul Leonhard

Da liegt es. Halbverdeckt mitten in einer Kiste mit Krimskrams aus Metall auf dem großen Antik- und Trödelmarkt in Budapest. Ich habe es sofort wiedererkannt, den einstigen Gefährten abenteuerlicher Reisen nach Süden.

Gegenüber dem Besitzer der Kiste heuchle ich Gleichgültigkeit, aber der ist erfahren genug, um meine Begeisterung bemerkt zu haben, den leicht angerosteten Gegenstand und die Kappe zu öffnen. Schon lodert die Flamme. Triumphierend schaut er mich an. Ein Klassiker, unverwüstlich, ob der Herr interessiert sei?

Begleiter der Groß- und Urgroßväter

Ich halte ein echtes Triplex Junior aus den vierziger Jahren in den Händen, ein Sturmfeuerzeug der 1907 gegründeten Österreichischen Knopf- und Metallwarenfabrik Julius Meister & Co.Wien, kurz Imco. Die hatte ursprünglich Knöpfe für das Militär hergestellt und war 1918 auf die Produktion von Feuerzeugen umgestiegen, die anfangs aus Patronenhülsen gefertigt wurden.

Das Feuerzeug IFA (‚‚Imco Feuerzeuge Austria‘‘) war eines der ersten Produkte. Es wurde in den zwanziger Jahren in großen Stückzahlen produziert und exportiert. Meister verwendete dazu den vom Chemiker Carl Freiherr Auer von Welsbach, ebenfalls einem Österreicher, 1904 erfundenen Feuerstein (Auermet) und meldete 1922 das erste Patent auf das von ihm entwickelte Benzinfeuerzeug an. Es war der Beginn einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte, in deren Verlauf rund 70 verschiedene Feuerzeuge entwickelt und weltweit vermarktet wurden.

Als Halbwüchsiger hatte ich ein Triplex Junior auf dem Boden im Haus meines Großvaters entdeckt. Es stammte wohl aus dem Nachlaß meines im Krieg vermißten Onkels und wurde von mir 17jährigem heimlich beschlagnahmt, um mich fortan auf Reisen nach Rumänien und Bulgarien zu begleiten. Es paßte perfekt zum Juwel-Benzinkocher aus DDR-Produktion und war unverwüstlich wie dieser.

Ein damaliger Freund und häufiger Reisebegleiter hatte ebenfalls ein Sturmfeuerzeug, eines der US-Firma Zippo Manufacturing Co. Das hatte im Gegensatz zum Imco selbst in der DDR Kultstatus, auch wenn ich dem Freund gegenüber darauf verweisen konnte, daß die Österreicher die Erfinder des benzinbefeuerten Sturmfeuerzeugs sind und damit 1918 auf dem Markt erschienen, also 14 Jahre bevor George Grant Blaisdell das Zippo nach dem Vorbild des österreichischen Hurricane-Feuerzeugs entwickelte.

Blaisdell war begeistert von diesem „fummeligen österreichischen Feuerzeug“, das selbst bei Wind dank seiner einem Kamin nachempfundenen Form gut funktionierte. Die einzigen Nachteile, die er entdecken konnte: Man brauchte zur Bedienung beide Hände, und das dünne Metall bekam leicht Dellen. Der Amerikaner löste beide Probleme und erhielt 1936 ein Patent für das von ihm entwickelte Sturmfeuerzeug.

Im gleichen Jahr stellte Julius Meister der Öffentlichkeit sein Triplex Super vor. Dieses erste halbautomatische Benzinfeuerzeug, bei dem die Zündvorrichtung mit dem Öffnungsmechanismus so kombiniert ist, daß die Flamme bereits beim Öffnen der Verschlußkappe entzündet wird, war so ausgereift, daß es bis heute hergestellt wird. Durch den patentierten Windschutz und die integrierte Abdeckung galten die Imco-Feuerzeuge als sehr zuverlässig.

Aufgrund ihrer ausgereiften Technik verkaufte Imco vor allem die Benzinfeuerzeuge Junior, Super und Streamline – bis zuletzt aus hochwertigem Stahl gefertigt. 1960 wurde die Produktion nach Tribuswinkel bei Baden verlegt und um Kunststofffeuerzeuge erweitert. Ein großer Erfolg war das in den sechziger Jahren entwickelte G11 Tornado, ein Gasfeuerzeug, das die Technik und das Aussehen der Imco-Benzinfeuerzeuge mit einem Gasbrenner kombinierte.

Vermarktungsstrategien analog der Amerikaner, die große Kulturspektakel mit ihrem Feuerzeug verknüpften und die mit über 300.000 Designs seit 1932 Zippo zu einer einzigartigen Plattform für Kunst machten, waren nie nach dem Geschmack der Österreicher. Sie setzten auf ihr Produkt, das einfach, solide, klein, funktionstüchtig und preiswerter als die Konkurrenz war, und gerieten so in den Schatten der übermächtigen Amerikaner.

2012 kauften die Japaner die Feuerzeugschmiede

Nachdem wichtige Werkzeuge für die Herstellung 2012 kaputtgingen, gab Imco 2012 auf und wurde an das japanische Unternehmen Windmill verkauft. Seitdem gibt es keine Imco-Benzinfeuerzeuge „Made in Austria“ mehr: Sie werden jetzt in Fernost hergestellt. Findige Fans stört das wenig. Zum einen wissen sie, daß das Triplex unverwüstlich ist und zum anderen: Zippo-Ersatzteile passen.

Das historische Imco-Feuerzeug habe ich dem Budapester Händler nicht abgekauft. Es lag nicht am Preis – auch wenn original in Österreich gefertigte Feuerzeuge derzeit einen regelrechten Boom erleben – sondern am Gesetzgeber. Ich war nicht wie einst per Anhalter nach Budapest gefahren, sondern geflogen. Das Luftfahrt-Bundesamt verbietet aber die Mitnahme von Benzinfeuerzeugen sowohl im Gepäck als auch am Mann, es sei denn sie sind neu und ungefüllt. Und das war der Budapester Veteran leider nicht.