© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

Drohende US-Sanktionen sorgen bei der EU für Unmut
Die Weltmacht zürnt
Thomas Fasbender

EU-Ratspräsident Donald Tusk ist Optimist. Man könne dem US-Präsidenten dankbar sein, daß er Europa von seinen Illusionen erlöse, twitterte er vor dem EU-Gipfeltreffen in Sofia. Wohl wahr. Noch in Sofia waren die Europäer zuversichtlich, sich mit weiteren Importen teuren US-Frackinggases von den Schutzzöllen auf Stahl- und Aluminiumprodukte freikaufen zu können. Den wenigsten ist bewußt, daß damit auch das wahrscheinliche Ende der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 besiegelt wäre.

Noch strömt ein Großteil des für Europa bestimmten russischen Gases durch ein Krisengebiet – die Ukraine. Leider kommt das vielen Transatlantikern gelegen; der Ukrainekonflikt ist ihnen wichtiger als die eigene Versorgungssicherheit. Soll Otto Normalverbraucher halt mit Holz heizen, Hauptsache, Kiew kann am Gashahn drehen. Und verdient noch gutes Geld dabei.

Auch beim zweiten großen Thema in Sofia, der Aufkündigung des Iran-Nuklearabkommens durch die USA, signalisierten die Gipfelteilnehmer Optimismus. Man werde an dem Vertragswerk, dessen völkerrechtliche Geltung außer Frage steht, festhalten. Wenige Tage später war die Hoffnung auf rasche Kompromisse Makulatur. US-Außenminister Mike Pompeo fuhr dem Iran gegenüber alle Krallen aus und kündigte die „schärfsten Sanktionen der Geschichte“ an.

Mit zwölf Forderungen, die auf die politische Ausschaltung des Irans als eigenständiger Regionalmacht hinauslaufen, untermauerte er den US-Hegemonialanspruch im Mittleren Osten und darüber hinaus. In Ton und Inhalt erinnert der Forderungskatalog fatal an das österreichische Ultimatum vom 23. Juli 1914 an die Adresse Serbiens.

Der US-Außenminister ließ keinen Zweifel daran, daß sein Land weltweit alle Firmen sanktionieren wird, die mit dem Iran Geschäfte tätigen, auch deutsche und europäische. Zwar umspannt der Arm der US-Regierung nicht den gesamten Globus, doch jenen Unternehmen, die unter anderem in den USA tätig sind – und wer unter den Großen ist das nicht? – droht der Zorn der Weltmacht.

Den haben schon viele zu spüren bekommen.Auch die jüngsten Sanktionen chinesischen und russischen Unternehmen gegenüber zeigen, inwieweit die USA willens sind, ihre technologische und wirtschaftliche Macht zur Durchsetzung politischer Ziele einzusetzen. Heute sanktionieren wir Rußland und den Iran, morgen die ganze Welt. Doch bei allem Respekt stellt sich die Frage: In welchem Ausmaß und wie lange kann der amerikanische Koloß, über die Halskrause verschuldet, deindustrialisiert und weltanschaulich zersetzt, den Rest des Planeten noch kujonieren?

Presseerklärung vom EU-Gipfel in Sofia:  https://ec.europa.eu/