© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

Einen Bewußtseinswandel herbeiführen
Das Studienfach Umweltpsychologie betreibt knallharte Politikberatung im Zeichen der Merkelschen Energiewende
Christoph Keller

Zum zehnjährigen Jubiläum der Zeitschrift Umweltpsychologie wollte keine rechte Festlaune aufkommen. Das gleichnamige Orchideenfach, dessen Sprachrohr das Magazin ist, schwächelt. Tatsächlich ist die Disziplin heutzutage an den Universitäten des deutschen Sprachraums weniger häufig vertreten als noch 2007.

Trotzdem zieht Ellen Matthies, seit 2011 Professorin für Umweltpsychologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, für die letzten zehn Jahren eine positive Zwischenbilanz und blickt zuversichtlich nach vorn (Umweltpsychologie, 1/17). Zwar habe ein „Rückbau“ des Faches durch den Verlust nicht wieder besetzter Lehrstühle stattgefunden, doch neben ihrer Magdeburger Professur mitsamt Masterstudiengang bestünden solche in Koblenz-Landau und Darmstadt. Auch in Bochum, Dortmund und Kassel lasse sich Umweltpsychologie studieren. Zudem steige die „Nachfrage nach unserer Expertise“, dank Klimawandel und Energiewende.

In vielen Bereichen seien zudem „Kollegen fest in die Politikberatung eingebunden“, sie selbst gehöre dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen an. Auch die Forschungsförderung, etwa durch das Umweltbundesamt, bestätige, wie sehr man staatlicherseits würdige, daß Umweltpsychologie „zur Lösung der anstehenden sozial-ökologischen Fragen viel zu bieten“ habe.

Der „Klimawandel“ fördert die Nachfrage an Expertise

Mithin sei das Fach als „notwendiger Bestandteil der Umweltsozialwissenschaften“ fest etabliert, wenngleich man offenbar neidisch auf die anglo-amerikanische Forschungslandschaft blickt, wo allein ein halbes Dutzend Zeitschriften des Typs Environment & Behavior die seit 2011 explodierende Aufsatzproduktion zu Klimawandel und Nachhaltigkeit nicht nur dem Fachpublikum vermittelt.

Die Schlüsselfrage, für deren Beantwortung Umweltpsychologen ihre „Expertise“ zur Verfügung stellen, lautet für Matthies: „Unter welchen Umständen sind Menschen bereit zur kollektiven Änderung ihrer Gewohnheiten?“ Die Arbeit am Bewußtseinswandel hin zum „nachhaltigkeitskompatiblen Menschenbild“, wie Peter Schmuck vom Interdisziplinären Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) der Uni Göttingen das Ziel dieses radikalen Umerziehungsprozesses im Anschluß an Matthies bezeichnet, versteht sich aktuell als Beitrag zur Erhöhung der Akzeptanz für die Energiepolitik der Bundesregierung.

Vordringlich geht es hier um das sozialpsychologische Problem des sich versteifenden Widerstands gegen Windenergieanlagen. Zum Beispiel lasse sich die Zufriedenheit mit Erneuerbare-Energie-Anlagen einfach erhöhen, wenn sie nicht durch ortsfremde sondern durch einheimische Investoren errichtet würden.

Daneben beackern Umweltpsychologen seit den 1990er Jahren weitere „Handlungsfelder mit großem Transformationspotential“: energetische Sanierung, Umstieg auf nachhaltige Verkehrssysteme, insbesondere Kauf und Nutzung von Elektrofahrzeugen sowie den Verzicht auf tierische Nahrungsmittel. Erste Erfolge, für die Matthies ihrer Disziplin einen Anteil zuschreibt, melde die 2014 erhobene Studie des Bundesumweltministeriums zum „Umweltbewußtsein der Deutschen“, die eine „zunehmende Offenheit“ der Bevölkerung „gegenüber innovativen Konzepten des sozial-ökologischen Wandels“ ausweise.

Derartig legimitiert, wollen Umweltpsychologen helfen, den für sie als – seltsam für Wissenschaftler – alternativlos geltenden „Gesellschaftsvertrag für eine große Transformation“ westlicher Lebensstile bis 2050 pünktlich zu erfüllen.

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