© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

Magische Rechtsprechung
Verurteilung: Die 89jährige Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck muß ihre Haftstrafe antreten
Doris Neujahr

Die 89jährige Ursula Haverbeck ist für ihr wiederholtes Bestreiten des Holocaust zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt und inhaftiert worden. Den Mord an den europäischen Juden in Abrede zu stellen ist so gehaltvoll wie die Behauptung, die Erde sei eine Scheibe oder Stalins sibirische Gulags seien mediterrane Sommerfrischen gewesen. 

Auf solchen offenkundigen Unsinn reagieren aufgeklärte Gesellschaften mit der Feststellung, daß die Betreffenden auf ihre Satisfaktionsfähigkeit anscheinend keinen Wert legen und sich damit aus dem Spiel genommen haben. Das genügt, um die Stabilität des Gemeinwesens zu gewährleisten. Warum also die harte Bestrafung einer Greisin, die von ihrer Meinung, wie abstrus auch immer, nicht lassen mag?

Die negative Generalprävention, die Abschreckung potentieller Nachfolgetäter durch exemplarische Bestrafung, bietet keine erschöpfende Erklärung. Auch bei schweren Straftaten wird es unter Hinweis auf die Würde des Menschen in der Regel abgelehnt, den einzelnen als Demonstrationsobjekt zu benutzen, um einen allgemeinen Abschreckungseffekt zu erzielen.

In Haverbecks Verurteilung handelt es sich um eine Hyper-Prävention, für die der Schriftsteller und Philosoph Hermann Broch in seiner „Massenwahntheorie“ den Begriff „magische Rechtsprechung“ prägte. Sie ist die juristische Konsequenz aus der Erhebung des historischen Auschwitz-Faktums zum negativen Gründungsmythos der Bundesrepublik. Der Unfug der Holocaust-Leugnung wird damit zum Sakrileg und die Bestrafung des Frevlers zu einer über-juristischen, heiligen Handlung, die den Gründungsmythos erneuert und – so Broch – zu einem Verhalten mahnt, das „sich den Erfordernissen des abstrakten mythischen Staates anpaßt“.