© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

Erheblicher Druck auf Washington
Iran-Atomabkommen: Nach Trumps Alleingang folgt die schwierige Suche nach Alternativen
Josef Hämmerling

Die Kündigung des Atom-Abkommens mit dem Iran durch US-Präsident Donald Trump führte zu einer Spaltung der Weltgemeinschaft. Während die USA, Israel und Saudi-Arabien diese Kündigung befürworteten, sprach sich die EU strikt dagegen aus und fordert die Fortführung. Und auch China und Rußland schlugen sich auf die Seite des Irans und kündigten ihre Hilfe und Unterstützung an. Vorangegangen war der Kündigung eine Präsentation des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der aufgrund dem israelischen Geheimdienst angeblich in die Hände gefallener Unterlagen erklärte, der Iran betrüge die Welt und arbeite heimlich weiter an der Atombombe. Unabhängige Beweise präsentierte der unter Korruptionsverdacht stehende Netanjahu allerdings nicht. 

Chef der Atombehörde konsterniert

So widersprach der Chef der Internationalen Atombehörde (IAEA), Yukiya Amano, diesen Vorwürfen auch energisch und sagte, der Iran sei Gegenstand des „stärksten Systems nuklearer Überwachung, das es bislang gegeben habe. Die IAEA könne bestätigen, daß sich der Iran vollumfänglich an alle Vereinbarungen des Abkommens halte und es „keinerlei Anzeichen für fragwürdige Aktivitäten“ gebe. Auch UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich „sehr besorgt“.

Unterstützung erhielten die USA und Israel lediglich von Saudi-Arabien. Dem Land, das seit einigen Monaten noch stärker als früher an der Seite der USA und Israels steht, wenn es um strategische Interessen im Nahen Osten geht, besonders wenn es Syrien und den Iran anbelangt. Massive militärische Angriffe Saudi-Arabiens gegen den Jemen (JF 20/18) oder auch die konsequente Vollstreckung der Todesstrafe, wie etwa kürzlich gegen 48 Personen, hindern Trump und auch Netanjahu nicht an einer immer engeren Zusammenarbeit mit diesem Land. So sprach sich der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman als erstes arabisches Staatsoberhaupt dann kürzlich auch für das Existenzrecht Israels aus.

Der israelische Fernsehsender Kanal 10 veröffentlichte bereits kurz vor dem Jahreswechsel eine Depesche der israelischen Regierung an alle Botschafter des Landes, aus der eine konspirative Zusammenarbeit von Tel Aviv und Riad zur Destabilisierung des Nahen Ostens hervorgeht. Mit dem Ziel, beiden Ländern eine Führungsrolle in dieser Region zukommen zu lassen. Das gehe aber nur, wenn der Iran, Syrien und auch Libanon so massiv geschwächt würden, daß sie keinen Gegenpol mehr bilden könnten. 

Auf massiven Widerspruch traf die Kündigung des Atomabkommens auch bei der EU. Alle EU-Regierungschefs schlossen sich den Aussagen der IAEA an, wonach es keinerlei Hinweise dafür gebe, daß der Iran diese Vereinbarung breche. Angela Merkel erklärte, Deutschland werde diesem Abkommen, das eine „wichtige Säule sei“, verpflichtet bleiben. Gleichzeitig kritisierte die Kanzlerin die USA: „Wenn jeder macht, worauf er Lust hat, ist das eine schlechte Nachricht für die Welt.“ Es sei nicht richtig, ein Abkommen, dem der UN-Sicherheitsrat einstimmig zugestimmt und dessen Einhaltung die Atomenergiebehörde bestätigt hat, einseitig aufzukündigen. Und Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian kündigte an, mit seinen Kollegen aus Deutschland und Großbritannien, das diesmal das erste Mal seit langem auch nicht der US-Linie folgt, mit dem Iran über die nächsten Schritte zu sprechen. „Die Vereinbarung ist nicht tot“, so Le Drian. Frankreich sei bereit, ein erweitertes Abkommen auszuarbeiten, das die Sorgen Trumps aus dem Weg schaffe. Auch US-Vizepräsident Mike Pence wollte ein neues Abkommen nicht ausschließen. Durch die Kombination von „harter amerikanischer Diplomatie und starkem wirtschaftlichem Druck“ durch  die USA und ihrer Verbündeten sei dies erreichbar. 

Irans Präsident Hassan Rohani erklärte in einer Fernsehansprache, sein Land habe sich strikt an den Wortlaut des Atomabkommens gehalten und werde auch weiterhin alle Verpflichtungen einhalten. „Von diesem Moment an ist der Nuklearvertrag ein Abkommen zwischen dem Iran und fünf Ländern“, sagte Ruhani weiter. Werde es allerdings zu neuen Sanktionen gleich welcher Art gegen sein Land kommen, „habe ich befohlen, die Anreicherung ohne Einschränkungen wieder aufzunehmen“, fügte der iranische Präsident hinzu. 

Am Wochenende stellte Irans Vize-Außenminister Abbas Araghschi der EU ein Ultimatum: „Die Europäer haben zwischen 45 und 60 Tage Zeit, die notwendigen Garantien abzugeben, um die iranischen Interessen zu wahren und die durch den US-Ausstieg verursachten Schäden zu kompensieren.“ Geschehe das nicht, behalte sich der Iran seinerseits eine Kündigung des Abkommens vor.

Moskau und Peking zeigen sich unbeeindruckt

Unterstützung erhält der Iran von Rußland und China. So sagte Rußlands Außenminister Sergej Lawrow, sein Land werde alles dafür tun, das Abkommen zu retten. Auch der chinesische Außenminister Wang Yi erklärte nach einem Treffen mit seinem iranischen Amtskollegen Mohammed Dschawad Sarif am Wochenende, China betrachte den Iran als wichtigen Partner, mit dem die Kooperation weiter gefördert werden solle. Sein Land werde eine „objektive, faire und verantwortungsvolle Haltung“ einnehmen und „weiter daran arbeiten, das Abkommen aufrechtzuerhalten“. Für China ist der Iran ein wichtiger strategischer Partner der sogenannten „Neuen Seidenstraße“. Einem gewaltigen Infrastrukturprojekt, das einen Korridor Chinas zu den Märkten in Europa und Afrika darstellen soll. 

Allerdings erklärte Trumps Sicherheitsberater John Bolton im Gespräch mit ABC, die US-Regierung strebe keinen Regimewechsel im Iran an. Ziel der US-Administration sei es lediglich, daß der Iran niemals auch nur in die Nähe von Atomwaffen komme.