© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

Grüße aus London
Schockstarre in Britain
Derek Turner

Viele Briten halten New York für ein besonders gefährliches Pflaster – eine Wahrnehmung, die wohl vor allem auf Filmen aus den 1970er Jahren beruht. Daß London im Februar und März 2018 erstmals eine höhere Anzahl gewalttätiger Tötungen verzeichnete als die US-Metropole, löste eine  entsprechende Schockstarre aus. 

Im Februar wurden in London 15 Menschen gewaltsam getötet (11 in New York), im März 22 (21). Insgesamt wurden in diesem Jahr in London 62 Menschen ermordet (Stand vom 11. Mai). Die große Mehrzahl wurde erstochen oder erschossen. Landesweit waren im Zeitraum von September 2016 bis September 2017 bei 37.443 aktenkundigen Gewaltverbrechen Messer im Spiel (davon 12.980 in London, ein Zuwachs um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr), bei weiteren 6.694 wurden Schußwaffen verwendet. Im Zeitraum von April 2016 bis April 2017 wurden allein in London 2.544 Verbrechen mit Schußwaffen aktenkundig. 

Bei der BBC ist – eher  verschämt – von „kulturellen Faktoren“ die Rede.

Rechnet man die Welle von schweren Säureangriffen (465 für 2017, 395 für 2016) sowie die Zunahme von Handtaschen- und Smartphone-Diebstählen hinzu, sieht das alles andere als gut aus für Sadiq Khan, der 2016 als erster muslimischer Oberbürgermeister einer westlichen Hauptstadt gewählt wurde. Zu seinen Versprechen zählte die Einschränkung der polizeilichen „Anhalten und Durchsuchen“-Befugnisse – eine Taktik, die so umstritten wie effektiv ist. Statistisch ist erwiesen, daß Gewaltverbrechen überdurchschnittlich von jungen schwarzen Männern verübt werden.

Wenn überhaupt, wird dieser Zusammenhang in der Regel nur verschämt angesprochen – so ist bei der BBC von „kulturellen Faktoren“ die Rede, während Konservative die Schuld bei Rap-Musik und Gang-Kultur oder auch fehlenden Vaterfiguren suchen. Dies ist nicht ganz von der Hand zu weisen – eines der bis dato letzten Opfer, der 17jährige Rhyhiem Barton, der am 5. Mai in London erschossen und von der BBC als „vielversprechender junger Mann“ betrauert wurde, gehörte einer Gang an, die sich „Moscow 17“ nennt, und reüssierte als Rapper mit Texten über seinen „Krieg mit den Scheißbullen“. 

Jedoch sieht die Linke lieber die Ursachen in der staatlichen Sparpolitik und natürlich dem allgegenwärtigen Rassismus. Er sei „nicht der Meinung, daß wir in London irgend etwas falsch gemacht haben“, erklärte Khan im Radio und gab bekannt, daß die „Stop and Search“-Befugnisse wieder ausgeweitet werden sollen.