© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

Ländersache: Nordrhein-Westfalen
Et hätt noch emmer joot jejange
Christian Schreiber

Der „Kölsche Klüngel“ ist auch weit außerhalb der Stadtgrenzen der rheinischen „Dorfmetropole“ vielen Menschen ein Begriff. Doch nun haben es die Oberen der Domstadt wieder einmal so kräftig übertrieben, daß sogar der krisenresistente Kölner empört ist. Im Stadtrat ging es heftig zur Sache, und ein Linken-Politiker bemühte sogar den römischen Dichter Horaz mit dem Satz: „Was nützen die Gesetze uns, wenn gute Sitten fehlen.“ Was war geschehen? 

Der SPD-Landtagsabgeordnete und langjährige Kölner Fraktionschef Martin Börschel galt schon als neuer Geschäftsführer der Stadtwerke. Die hochdotierte Stelle war extra für ihn eingerichtet und nicht öffentlich ausgeschrieben worden. Doch die regionale Presse bekam Wind davon und machte den Deal publik. Seitdem rätselt die Öffentlichkeit, warum die Spitzen von CDU und Grünen den SPD-Mann Börschel auf den Chefsessel der Stadtwerke hieven wollten. Der für Personalangelegenheiten zuständige Ausschuß des Stadtwerke-Aufsichtsrats wollte den Job ohne Ausschreibung vergeben. Das jedoch wäre ein Verstoß gegen den Kodex der städtischen Unternehmen. Außerdem widerspricht das undurchsichtige und übereilte Verfahren zur Schaffung eines neuen Spitzenpostens der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates und der Geschäftsordnung des Stadtrates. 

Peinlich für Börschel ist vor allem die Tatsache, daß dieser, obwohl langjähriger Angehöriger des Rates, zur Bedingung gemacht haben soll, daß keine öffentliche Ausschreibung erfolgt. Seit dem vorigen Dezember hatten sich die Spitzenvertreter von SPD, CDU und Grünen insgesamt elfmal getroffen, um diese Personalie zu bereden. Die Wahl Börschels im Aufsichtsrat war nach massiven öffentlichen Protesten am Einspruch der parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker gescheitert. Sie will nun ein neues Besetzungsverfahren diskutieren, und Börschel will die von ihm noch vor kurzem angekündigte erneute Bewerbung immerhin überdenken. 

Die Stadtwerke-Affäre erinnere sie an Zeiten, „von denen ich dachte, daß Köln sie längst hinter sich hatte“, erklärte Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Es sei gut, daß der Aufsichtsrat der Stadtwerke ihrer Empfehlung gefolgt sei und das Verfahren zur Neustrukturierung der Stadtwerkespitze gestartet habe. „Die Stadtwerke sind zur Daseinsvorsorge da. Sie sind keine Fundgrube für hochdotierte Jobs.“

Innerhalb der schwarz-grünen Koalition knallt es nun mächtig. Die Grünen streiten öffentlich, und auch in der CDU nimmt der Druck auf Fraktionschef Bernd Petelkau zu. Der galt jahrelang als erbitterter Widersacher des SPD-Mannes Börschel. Regionale Medien glauben, daß Petelkau den Hinterzimmer-Deal eingefädelt habe, um den Konkurrenten so auf einen Versorgungsposten abzuschieben. Alt-Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) zeigte sich jedenfalls entsetzt. Er bezeichnete Petelkau gegenüber der Kölnischen Rundschau als „verlogen“. Und: „Die Fraktionsvorsitzenden glauben, die Fürsten der Stadt zu sein.“ 

Er teilt damit die Ansicht von Kanzler-Enkel Konrad Adenauer, der das Verfahren als einen „Coup wie in der Unterwelt“ bezeichnet habe. Köln, so Adenauer, sei seinem Ruf als Klüngelhochburg wieder gerecht geworden.