© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/18 / 11. Mai 2018

„Einige müssen mehr bezahlen“
Grundsteuer: Diskussion über ein neues Berechnungmodell / Abschaffung ausgeschlossen
Christian Schreiber

Das Bundesverfassungsgericht hat am 10. April entschieden, daß die Grundsteuer reformiert oder abgeschafft werden muß (1 BvL 11/14 et al.). Die Finanzminister von Bund und Ländern beraten zwar noch über die Neuregelung, aber eins scheint bereits festzustehen: „Die Grundstückseigentümer werden wahrscheinlich eine – allerdings recht schlichte – Steuererklärung für die Bewertung ihres Grundstücks abgeben müssen“, erklärte der niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers. „Je nach künftigem Bewertungsmodell wird sie einfach oder sogar sehr einfach sein. Wir brauchen unbedingt ein einfaches Modell“, so der CDU-Politiker.

Unterschiede zum heutigen Stand gering halten

Nach Vorgabe der Karlsruher Richter muß eine Reform bis Ende 2019 unter Dach und Fach sein (JF 16/18). „Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden“, heißt es im Urteil. Die Politik hat versprochen, daß das Steueraufkommen gleichbleiben soll. „Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß einige Gruppen oder Personen mehr bezahlen müssen – andere auch weniger“, gestand Hilbers ein. „Wir müssen aber sehen, daß wir die Unterschiede zum heutigen Stand gering halten.“

Das Problem der Grundsteuer war, daß sie nicht wie vom Gesetz vorgesehen alle sechs Jahre neu berechnet wurde. In Mitteldeutschland geschah dies seit 1935 kein einziges Mal, im Westen nur im Jahr 1964. Das Modell, mit dem bis heute Grundstücke besteuert werden, stammt aus der Weimarer Republik. Damals wie heute ging es darum, den realistischen Wert eines jeden Grundstücks zu ermitteln und davon abhängig die Steuer festzulegen. Doch die jahrelange Untätigkeit hatte abstruse Folgen, die sich exemplarisch in Berlin zeigen: Auf der Südseite der Bernauer Straße werden die Verkehrswerte von 1935 herangezogen, auf der Nordseite die des Jahres 1964. Und die waren für die West-Berliner Mauergrundstücke damals besonders niedrig. An der Mauer wollte niemand wohnen. Heute ist dort das Zentrum Berlins mit zahlreichen modernen Neubauten. „Die Folge: Mini-Grundsteuern für heutige Filetgrundstücke“, ätzte der Spiegel.

Das Festhalten an den alten Einheitswerten führe zu „gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen“, argumentierten die sich benachteiligt fühlenden Kläger. Der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) sprach von einer „Klatsche aus Karlsruhe“, welche die Politik „mit viel Anlauf“ treffe. In den Bundesländern gibt es heftige Diskussionen, wie das künftige Modell aussehen soll. So wirbt Bayern für eine Neuberechnung nach Grundstücksgröße. „Es wäre wünschenswert, wenn auch die anderen Bundesländer den bayerischen Weg mitgehen würden“, sagte Finanzminister Albert Füracker (CSU).

Der Bundesrat hatte Ende 2016 per Gesetzentwurf einen Ansatz empfohlen, den die meisten Bundesländer mittragen würden. Demnach wäre für unbebaute Grundstücke künftig der Bodenrichtwert maßgeblich, der sich aus Verkäufen in der Umgebung ergibt und den man für die Grundstücke in vielen Städten bequem im Internet einsehen kann. Für Gebäude würde ein sogenannter Kostenwert neu eingeführt: Er ergibt sich aus der Bruttogrundfläche der Immobilie und den pauschalen Herstellungskosten. Von diesem Wert können je nach Baujahr bis zu 70 Prozent des Werts wegen Altersminderung abgezogen werden.

Doch Bayern und Hamburg waren dagegen. Die Grundsteuer müsse an der Grundstücksgröße und der Größe der Wohnfläche bemessen werden, fordert Füracker. „Beides sind Faktoren, die sich nicht jährlich ändern, sondern die als Grundlage sich sehr gut eignen, um die Grundsteuer zu bemessen.“ Es dürfe bei der vom Bundesverfassungsgericht verordneten Neufassung aber keine „Steuererhöhungen durch die Hintertür“ geben: „Wenn Neuregelungen anstehen, dann muß man darauf achten, daß nicht durch unsere Neuregelung sofort wieder Steuererhöhungen ausgelöst werden.“

Neben dem Vorschlag aus Bayern, dem „flächenbezogenen Äquivalenzmodell“, das derzeit eher eine Außenseiterposition einnimmt, gibt es das Bodenwertmodell, nach dem in erster Linie der Wert eines Grundstücks für die Höhe der fälligen Steuer entscheidend ist, oder das Kostenwertmodell, nach dem auch Bau- oder Sanierungskosten für die Häuser auf dem Grundstück mit einfließen. Noch ist völlig offen, wohin die Reise gehen wird. Das Kostenwertmodell wurde vom Bundesrat verabschiedet, aber wegen des Widerstands aus Bayern und Hamburg nie im Bundestag beraten.

Mehrfamilienhäuser künftig besser stellen?

Mit Blick auf den kurzen Zeitraum bis 2019 könne kein neues Konzept erarbeitet werden, argumentiert auch Sachsen-Anhalts Finanzminister An-dré Schröder (CDU). Nach Ansicht des Deutschen Mieterbundes (DMB) soll dagegen einzig der Wert eines Grundstücks die entscheidende Rolle spielen. „Wir favorisieren ganz eindeutig ein so genanntes Bodenwertmodell“, sagte DMB-Geschäftsführer Ulrich Ropertz.

„Das sei wünschenswert, weil Gebäude mit mehreren Wohnungen dabei tendenziell bessergestellt wären als Einfamilienhäuser“, so Ropertz. Das eher mieterfeindliche Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist dabei in einem Boot mit dem DMB, werden doch so auch Firmengrundstücke entlastet. Doch viele halten das Modell für ungerecht, weil es Eigentümer in ländlichen Regionen mit tendenziell größeren Grundstücken gegenüber jenen in Städten benachteiligen könnte. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft (BID) plädiert dennoch für ein reines Flächenverfahren: Es sei innerhalb der gesetzten Frist umsetzbar und würde keine mietpreistreibende Wirkung entfalten wie dies bei wertorientierten Verfahren in den teuren „Hotspots“ der Großstädte der Fall wäre.

Bodenwertmodell des IW Köln: iwd.de

Flächensteuermodell der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft (BID): www.bid.info