© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/18 / 11. Mai 2018

Der Markt ist in Bewegung gekommen
Kabelmarkt: Was ein Zusammenschluß von Vodafone und Unitymedia bedeuten würde / Wer bezahlt die Digitalisierung Deutschlands?
Carsten Müller

In der internationalen Kommunikations- und Medienbranche hält die Fusionitis an. In den USA vollziehen sich gerade weitreichende Deals. So versucht der 1885 gegründete Telekommunikationsgigant AT&T, den 1990 aus einer Fusion entstandenen Medienkonzern Time Warner zu übernehmen – allerdings mit großen Problemen, diesen milliardenschweren Zusammenschluß durch die US-Wettbewerbsaufsicht genehmigt zu bekommen. Denn mit der Übernahme will AT&T sich Inhalte für seine Kabeldienste sichern.

Politischer Druck beim Breitbandausbau

Verbraucherschützer und Kartellwächter befürchten, daß am Ende die Lizenzpreise für andere Kabelnetzbetreiber, die Time-Warner-Inhalte nutzen wollen, in die Höhe getrieben werden. Doch nicht nur diese geplante Fusion sorgt für Aufregung. Aktuell kündigte die Deutsche-Telekom-Tochter T-Mobile US an, den Rivalen Sprint zu übernehmen. Genehmigen das die Behörden, würde das neue Unternehmen zum Spitzen-Duo im amerikanischen Mobilfunk, bisher bestehend aus AT&T und Verizon, aufrücken. Das neue Führungstrio würde dann bei den Mobilfunk-Verträgen knapp 90 Prozent des Gesamtmarktes abdecken.

Aber nicht nur in Amerika rollt die Konsolidierungswelle. Auch in Europa und ganz speziell Deutschland ist der Markt in Bewegung gekommen (JF 30/17). Ganz neu ist das Thema dabei nicht. Erinnert sei nur an die Übernahme von E-Plus durch Telefónica/O2. Jetzt stehen die Kabelnetzbetreiber im Fokus. Überraschen kann das nicht, denn hier gibt es zwei wesentliche Komponenten, die weitere Konzentrationen zumindest aus betriebswirtschaftlicher Sicht erwartbar machen. Einerseits gibt es politischen Druck, den Breitbandausbau voranzutreiben, um schnelles Internet anbieten zu können. Denn dies ist das sprichwörtliche Nadelöhr für die immer wieder politisch-medial propagierte Digitalisierung. Wobei bislang Deutschland im europäischen Vergleich weit hinterherhinkt. So lag per September 2017 der Anteil von Haushalten, die auf schnelle Glasfaser-Netze zugreifen konnten, bei mageren 2,3 Prozent. Zum Vergleich: Spitzenreiter Litauen brachte es auf über 50 Prozent, und der EU-Durchschnitt lag immerhin noch bei knapp 14 Prozent.

Ein wesentlicher Grund dafür ist, daß der deutsche Marktführer Telekom bislang stärker auf den Ausbau von als „Brückentechnologie“ angesehenen DSL-Verbindungen setzt und weniger auf den technisch überlegenen Glasfaser-Ausbau. Das zweite Thema bleibt natürlich auch die Finanzierung. Denn neue Glasfasernetze werden in den kommenden Jahren Milliarden Euro an Investitionen verlangen. Daß dies die Telekom nicht alleine schultern will, ist nachvollziehbar. Zumal im Mobilfunkbereich mit der Einführung des neuen 5G-Standards weitere Milliarden-Investitionen anstehen.

So würde es dann nicht überraschen, wenn hier Steuergelder aktiv eingesetzt werden, wenn es die Regierung mit der Digitalisierung ernst meint. Ein klassisches Dilemma: Denn ordnungspolitisch wäre es geradezu eine Todsünde, Kosten für den Netzausbau zu sozialisieren und die Einnahmen daraus dann zu privatisieren. Aber solch ein Ansatz hat in Deutschland inzwischen durchaus Tradition. Man denke nur an die teure Erhebung der Lkw-Maut.

Der allgemeine Druck, den Breitbandausbau zu beschleunigen, führt nun bei den Kabelnetzbetreibern dazu, daß ein weiterer großer Zusammenschluß geplant ist. Denn Vodafone will offenbar den kleineren Konkurrenten Unitymedia übernehmen. Aktuell handelt es sich dabei um die Nummer zwei und drei im deutschen Kabelnetz bzw. bei den Breitband-Anbietern. Während die Telekom auf einen Marktanteil von rund 40 Prozent kommt (Stand September 2017), bringen es die britische Vodafone auf rund 20 Prozent und Unitymedia (Tochter der Londoner Liberty Global) auf gut zehn Prozent. Wobei die beiden potentiellen Fusionspartner bislang nicht im direkten Wettbewerb standen. So ist die Unitymedia hauptsächlich in NRW, Hessen und Baden-Württemberg tätig. Vodafone, die bereits mit der Übernahme von Kabel Deutschland einen großen Anteil an der Branchenkonsolidierung hat, ist nahezu im gesamten restlichen Bundesgebiet aktiv. Sollten die Kartellbehörden den Zusammenschluß genehmigen, gäbe es im Kabelmarkt ein Quasi-Duopol. Was bedeutet das am Ende für die Verbraucher?

Weitere Konsolidierung innerhalb der Branche

Zwar dürfte zukünftig der Wettbewerb nicht gänzlich verschwinden. Doch schon der größte Verfolger 1&1 hätte mit einem Marktanteil von knapp 14 Prozent einen gehörigen Abstand zu den beiden Platzhirschen. Diese würden dabei sicherlich die Möglichkeit nutzen, mit Verweis auf die Ausbaukosten für schnelles Internet auch die Preise anzuheben, weil in vielen Regionen schlicht die Alternativen fehlen. Und natürlich könnte man in diesem Zusammenhang auch Druck auf die Regierung ausüben, hier finanzielle Schützenhilfe für den Netzausbau zu leisten.

Im Gegenzug ist zu erwarten, daß auch Vodafone/Unitymedia wohl sein Kabelnetz für andere Betreiber öffnen muß. So hatte bereits die Bundesnetz­agentur durchblicken lassen, daß sie von einem neuen großen Wettbewerber Ähnliches verlangen könnte wie bereits von der Telekom. Daß der Wettbewerb im Kabelnetz und bei Internetzugängen durch eine weitere Konsolidierung innerhalb der Branche nicht gänzlich zum Erliegen kommen dürfte, liegt dann daran, daß es wohl Discounter geben wird wie auch alternative Übertragungsmöglichkeiten für das Kabelfernsehen wie Satellit, DVB-T2 und Internet-TV.

Mediendatenbank des Kölner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik:

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 libertymedia.com