© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/18 / 11. Mai 2018

Im Wechselbad der Gefühle
FDP vor dem Parteitag: Hadern mit der Oppositionsrolle
Jörg Kürschner

Ein halbes Jahr nach dem abrupten Scheitern der Jamaika-Verhandlungen trifft sich die FDP an diesem Wochenende in Berlin zu einem Bundesparteitag, dem ersten nach dem triumphalen Wiedereinzug in den Bundestag im vergangenen September. Daß die FDP mit immerhin 10,7 Prozent zwar ihr selbstgestecktes Ziel nicht erreicht hatte, als drittstärkste Fraktion ins Parlament ein- und an der AfD vorbeizuziehen, ging in dem Jubel fast unter. Seit der Bundestagswahl im Herbst haben die Liberalen ein Wechselbad der Gefühle erleben müssen. Vier Jahre nach dem demütigenden Ausscheiden aus dem Bundestag genoß die FDP zunächst ihre Renaissance, war sie doch über Nacht zu einem ernsthaften Koalitionspartner für CDU/CSU und Grüne geworden. 

Um so mehr hat die Partei den plötzlichen Ausstieg ihres Vorsitzenden Christian Lindner aus den Jamaika-Gesprächen getroffen. Ein emotionaler Absturz, mit dem weite Teile der Partei bis heute hadern. Aufgabe der FDP-Spitze auf dem Parteitag ist es, die über 600 Delegierten neu zu motivieren, ihnen die Notwendigkeit der undankbaren Oppositionsrolle nahezubringen. Dazu bedarf es einiger Überzeugungskraft, denn es ist still geworden um die Liberalen im Bundestag. Vier Oppositionsfraktionen sind es, Grüne, Linke, FDP und die AfD, die der Koalition aus CDU/CSU und SPD gegenüberstehen. Soviel Opposition war nie seit den fünfziger Jahren. 

Das erschwert Lindner das Geschäft, zumal sich die Aufmerksamkeit oft auf die „Abschottungsfreunde der AfD“ konzentriert. Regelmäßig weist der Parteichef jede inhaltliche Nähe zu den ungeliebten Parlamentsneulingen brüsk von sich. „Gut sieben Monate nach der Bundestagswahl gibt es – unter dem Strich – zwei Verlierer: Die FDP liegt 1,7 Punkte und die SPD – doppelt soviel – 3,5 Prozentpunkte unter ihrem Wert bei der Bundestagswahl“, analysiert Hermann Binkert, Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa.

In dieser Stimmungslage will die FDP während ihres Treffens erstmals auch über eine Frauenquote debattieren, denn der weibliche Anteil unter den rund 64.000 Mitgliedern liegt bei nur knapp 22 Prozent. Entschärft werden soll durch einen Parteitagsbeschluß zudem der Dissens zwischen Lindner und seinem Parteivize Wolfgang Kubicki in der Rußlandpolitik.