© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/18 / 11. Mai 2018

Der Rechtsstaat wird herausgefordert
Fall Ellwangen II: Nach den Ausschreitungen fordern Politiker härtere Sanktionen gegen straffällige Asylbewerber
Christian Vollradt

Die Vorgänge in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen haben ein vielfältiges Echo hervorgerufen. Vor allem Politiker der Union reagierten zum Teil mit markigen Worten und sehen sich mit der Forderung nach Einrichtung sogenannter „Anker-Zentren“ (JF 15/18) bestätigt. Sie seien „gerade die richtige Antwort darauf, daß wir hier konsequenter die Personen außer Landes bringen, die kein Bleiberecht haben“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU). Ein härteres Durchgreifen der Sicherheitsbehörden forderte sein Unionskollege Armin Schuster. „In unserem Rechtsstaat gibt es eindeutige rote Linien, die mittlerweile beinahe täglich von Asylbewerbern vorsätzlich überschritten werden“, sagte der CDU-Innenpolitiker Focus Online. 

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte sogar, Herkunftsländern, die bei Abschiebungen nicht kooperieren, die Entwicklungshilfe zu entziehen. „Wir können nicht auf der einen Seite Entwicklungshilfe bezahlen, und auf der anderen nehmen diese Länder diese Leute nicht zurück“, sagte er der FAS. Sinnvoll sei auch, in ganz Europa Asylbewerbern einheitlich nur noch Sachleistungen statt Geld zu geben. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte eine „aggressive Anti-Abschiebe-Industrie“ in Deutschland, die durch Klagen Abschiebungen zu verhindern suche.

Die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, Alice Weidel, forderte die Ausweisung aller an der Eskalation in Ellwangen beteiligten Asylbewerber. „Um die Autorität des Rechtsstaats wiederherzustellen, muß nicht nur der festgenommene Togolese unverzüglich abgeschoben werden. Auch sämtliche Angreifer, die Widerstand geleistet haben, müssen identifiziert und in Haft genommen werden. Ihr Aufenthalt muß unverzüglich beendet werden“, sagte sie der JUNGEN FREIHEIT. Die Zustände in der Einrichtung seien „ein Offenbarungseid für das bestehende Asylsystem“, kritisierte Weidel.

Die „sachliche Diskussion“ über den Umgang mit Asylbewerbern ohne Bleibeperspektive dürfe jetzt nicht ausschließlich am Fall Ellwangen festgemacht werden, meinte hingegen der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD). Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, kritisierte den Polizeieinsatz in der Flüchtlingsunterkunft unterdessen scharf. „Mit martialischen Großeinsätzen der Polizei werden nicht nur Schutzsuchende in Angst und Schrecken versetzt, sondern gezielt Bilder von angeblich kriminellen und gewalttätigen Flüchtlingen produziert.“ Das wiederum nannte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, „blanken Unfug“. Für dieses Bild sei nicht die Polizei verantwortlich, sondern „die Flüchtlinge, die Straftaten begehen“, sagte er der JF.

Nach Angaben der Bundesregierung wurden im vergangenen Jahr 23.966 abgelehnte Asylbewerber zurück in ihre Heimatländer gebracht. Im ersten Quartal dieses Jahres sind 6.235 Abschiebungen erfolgt, teilte die Bundesregierung auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Harald Weyel (AfD) mit. Zum Stichtag 31. Dezember 2017 zählte das Ausländerzentralregister knapp 220.000 Personen, die Deutschland verlassen müssen; 72 Prozent von ihnen waren jedoch geduldet. 62.791 Ausreisepflichtige lebten zu diesem Zeitpunkt hier ohne Duldung. 

Am kommenden Mittwoch befaßt sich der Innenausschuß des baden-württembergischen Landtags mit dem Fall Ellwangen.