© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/18 / 11. Mai 2018

Ländersache: Bayern
Mit dem Kreuz gegen den Rest der Republik
Thorsten Brückner

In Bayern gehen die Uhren anders. So abgedroschen der Satz des früheren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß manchmal klingen mag – gerade in der Debatte um Kreuze in öffentlichen Gebäuden bewahrheitet er sich wieder. Während die Entscheidung des bayerischen Ministerrats, am Eingang aller Landesgebäude ab 1. Juni ein Kruzifix aufzuhängen, im Freistaat auf große Zustimmung stößt, blickt man im Rest der Republik wieder einmal mit einer Mischung aus Unverständnis und Verachtung auf die renitenten Bajuwaren, die so hinterwäldlerisch an ihrem Glauben und ihrer Tradition festhalten. 64 Prozent sind laut einer Emnid-Umfrage bundesweit gegen das zentrale christliche Symbol in öffentlichen Einrichtungen. 29 Prozent dafür. Selbst unter deutschen Katholiken überwiegt die Ablehnung.

 FDP-Chef Christian Lindner meinte gar, das Land zwischen Alpen und Main mit der Türkei unter Recep Tayyip Erdogan vergleichen zu können. Auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther verstieg sich zu der Aussage: „Das halte ich nicht für akzeptabel.“ Was Günther für akzeptabel hält, interessiert zwischen Spessart und Karwendel keinen müden Ochsen. Belehrungen solcher „Saupreißn“ wie man in Bayern liebevoll die Norddeutschen nennt, kommen im Freistaat erfahrungsgemäß weniger gut an und verstärken eher noch das „Mia san mia“- Gefühl.

Ministerpräsident Markus Söder hat hingegen scheinbar alles richtig gemacht. 56 Prozent derer, die es wirklich angeht – also die Franken, Schwaben und Altbayern – befürworten laut einer Erhebung von Infratest dimap im Auftrag des Bayerischen Rundfunks die Maßnahme. Die größte Unterstützung kam dabei nicht etwa von den eigenen Anhängern. 77 Prozent der bayerischen AfD-Wähler sind für die Kreuze. Unter den CSU-Wählern sind es 71 Prozent. Aber auch unter den Anhängern der Freien Wähler (56 Prozent) und der SPD (52 Prozent) ist eine Mehrheit dafür. Nur FDP-Wähler (29 Prozent) und Grünen-Sympathisanten (26 Prozent) lehnen christliche Symbole in öffentlichen Gebäuden ab. 

 Noch stärker stechen die Unterschiede zwischen Stadt und Land ins Auge. In kleinen Gemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnern – also jene Ortschaften, wo für die CSU in Bayern Wahlen entweder gewonnen oder verloren werden – schlagen sich zwei Drittel der Befragten auf die Seite ihres Ministerpräsidenten. In den acht bayerischen Großstädten, in denen der Anteil an Nicht-Bayern besonders hoch ist, liegt die Zustimmung hingegen nur bei 45 Prozent. 

Die Zahlen seien ein Beleg, daß die Mehrheit der Bayern die identitätsstiftende Wirkung des Kreuzes sehe, triumphierte der gläubige Christ Söder im Interview mit Antenne Bayern. Die Signale aus den Kirchen sind unterdessen verschieden. Während der Erzbischof von München-Freising, Reinhard Kardinal Marx, Söder vorwarf, mit dem Kreuz „Spaltung, Unruhe und Gegeneinander“ provoziert zu haben, sprachen sich der Erzbischof von Bamberg, Ludwig Schick, und der frühere Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan, Gerhard Ludwig Kardinal Müller, für die Maßnahme aus. „Mir sind die Politiker lieber, die die Kreuze aufhängen, als diejenigen, die Kreuze abhängen“, sagte der ehemalige Bischof von Regensburg.