© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/18 / 04. Mai 2018

Die Europawahlen im Hinterkopf
„Fake News“: Die EU-Kommission will härter gegen „Desinformation“ vorgehen und „zuverlässige“ Medien fördern
Ronald Berthold

Die EU-Kommission plant, in die Presse- und Informationsfreiheit einzugreifen. Einerseits will sie den Kampf gegen „Fake News“ ausdehnen, andererseits erwägt sie, „zuverlässige“ Medien finanziell zu unterstützen. „Bei allem, was wir unternehmen, muß man die Europawahlen im kommenden Jahr im Hinterkopf haben – diese Wahlen werden wahrscheinlich von böswilligen Akteuren ins Visier genommen werden“, begründet EU-Sicherheitskommissar Julian King die Initiativen.

Dabei hat die EU den größten Verbreitungskanal für Nachrichten im Auge. Sie möchte die sozialen Netzwerke zwingen, zu untersuchen, wer hinter publizierten Inhalten steht. Sollten dies Medien sein, die sogenannte Desinformationen verbreiten, müsse Werbung dafür unterbunden werden. Unscharf bleibt, was die Kommission als „Desinformation“ einstuft. Fallen darunter auch zutreffende Berichte, die EU-kritischen Parteien Auftrieb geben könnten? Indem King die Pläne in den Zusammenhang mit der Europawahl bringt, schürt er solche Befürchtungen.

Auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erhöht den Druck auf Internetunternehmen, Nachrichten, die er ebenfalls als „Desinformation“ bezeichnet, nicht mehr zu verbreiten: „Schließlich ist Glaubwürdigkeit ihr wichtigstes Kapital.“ Dafür sollen europaweit „Faktenchecker“ aus wissenschaftlichen Institutionen eingesetzt werden, die entscheiden, welche Medienberichte unseriös sind. Dafür sollen die Kontrolleure Zugang zu Daten der Plattformen erhalten. Diese müßten außerdem Verdienst, Anzeigenplazierungen und Sponsoren offenlegen. Die EU-Kommission will die Internetunternehmen auch dabei „unterstützen“, angeblich falsche Profile zu schließen.

Um diese Eingriffe schnell umzusetzen, sollen die Betreiber sozialer Netzwerke bald mit Vertretern von Politik und Wissenschaft Maßnahmen beraten. Schon bis zum Juli soll daraus ein „Praxiskodex“ entstehen. EU-Kommissar King erklärt, wie er sich das vorstellt: „Wir brauchen Systeme zur Überprüfung, Identifizierung und Echtheitsprüfung“, so der Brite. Außerdem könnte die Vertrauenswürdigkeit der Medien durch die Betreiber der Online-Plattformen bewertet und den Nutzern der Zugang zu „zuverlässigen“ Seiten erleichtert werden.

Diese „zuverlässigen Medien“ können offenbar mit finanzieller Unterstützung rechnen. Hintergrund sind die Auflageneinbrüche sogenannter „Qualitätsmedien“ und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in die sie dadurch geraten. Forderungen von Medienwissenschaftlern, Verlagen und dem Journalistenverband, der eine „Haushaltsabgabe für Printmedien“, ähnlich „wie bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“ für geboten hält, gibt es schon länger. Die EU-Kommission „erwägt“ laut Süddeutscher Zeitung nun, sich „zum Ausmaß zu äußern, mit dem die Mitgliedstaaten ihren Medien finanziell unter die Arme greifen dürfen“. Die tschechische EU-Kommissarin für Justiz und Verbraucherschutz, Vera Jourová, warnt vor einer Gefahr für Meinungs- und Informationsfreiheit, wenn die Politik zu weit gehe.