© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/18 / 04. Mai 2018

„Das war so schäbig“
Im Gespräch: Der Schriftsteller Thor Kunkel hat für den Kinofilm „Herrliche Zeiten“ die Romanvorlage geliefert / Jetzt fühlt er sich von der Produktionsfirma ausgegrenzt
Thorsten Thaler

Herr Kunkel, am Donnerstag dieser Woche läuft der Kinofilm „Herrliche Zeiten“ an, der auf Ihrem 2011 erschienenen Roman „Subs“ basiert. Nun fühlen Sie sich von der Produktionsfirma diskriminiert und ausgegrenzt. Warum?

Kunkel: Die absurden Schikanen begannen schon während der Dreharbeiten in Köln und gipfelten nun in einem Schreiben der Produktion, ich hätte zwar eine Premiereneinladung, doch sei auf der Bühne eine unerwünschte Person. 

Sie beklagen sich darüber, mit keiner Zeile erwähnt zu werden. Aber auf der Internetseite der Produktionsfirma steht alles andere als versteckt unter Drehbuch: „frei nach Motiven des Romans ‘Subs’ von Thor Kunkel“.

Kunkel: Achten Sie auf die Feinheiten. Usus ist im Filmgeschäft die Formulierung: „Nach einem Roman von XY“, die von der Produktion gewählte Formulierung beabsichtigt, meine Rolle als Künstler zu schmälern und so zu tun, als hätte ich nur eine Prämisse geliefert. De facto entspricht der Handlungsrahmen der ersten 50 Minuten aber eins zu eins meinem Roman, die Hauptfiguren Dr. Claus Müller-Todt und Evi, seine Frau, entsprechen eins zu eins der Romanvorlage. Lesen Sie einfach den Roman. Korrekterweise möchte ich anmerken, daß mein Freund Oskar Roehler mich bereits 2015, als die Pre-Production lief, von der Idee überzeugte, daß man den 420 Seiten langen Roman  filmisch „eindampfen“ müsse, das heißt nach der Exposition und dem ersten Akt würde  auf viele dialoglastige Szenen verzichtet werden müssen, um auf eine normale Spielfilmlänge zu kommen.

Zu der Weltpremiere vergangene Woche sind Sie aber doch eingeladen worden, oder? Und stimmt es, daß Sie zunächst trotzdem nicht eingelassen worden sind?

Kunkel: Mir wurde tatsächlich – unter dem Vorgaukeln falscher Tatsachen – der rote Teppich sowie die Bühne verwehrt. Die Behandlung war so schäbig, daß ich sie hier nicht wiederholen möchte. Es tat mir nur leid für meine Begleitung.

Gab es denn keine Absprachen, vielleicht sogar Verträge, wie und in welcher Form Sie an der Entstehung und Promotion für den Film beteiligt sein sollten?

Kunkel: In meinem Vertrag steht eindeutig „Nach einem Roman von Thor Kunkel“ und daß die Filmproduktion sich dazu verpflichte, diese Formulierung zu wählen. Wir werden nun einen Medienanwalt einschalten, denn bisher führte noch jede Kontaktaufnahme mit der geschäftsführenden Produzentin zu einem Mißverständnis.

Oskar Roehler, der Regisseur des Films, hat Verständnis für Ihr Lamento geäußert und Sie verteidigt. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?

Kunkel: Oskar ist mein geistiger Bruder und guter Kumpel; wenn er eine Frau wäre, würde ich es bei ihm versuchen ... just kidding, okay? Unsere Freundschaft begann im Dunstkreis der kaputten Großstadt und im Schwarzlicht von Discostrahlern. Da braucht es mehr als eine altlinke Filmproduktion, um uns auseinanderzubringen.

Für Ihre Ausgrenzung machen Sie das „System Kulturbetrieb“ verantwortlich, das Schriftsteller-Existenzen „am laufenden Band“ zerstöre, wie Sie auf Ihrer Facebook-Seite schreiben. Was und wen genau meinen Sie damit?

Kunkel: Nun, lange vor Uwe Tellkamp und Akif Pirinçci wurde an mir das erste Exempel an einem Andersdenkenden statuiert. Ich wurde als Jahrgangszweitbester beim Bachmann-Wettbewerb jahrelang vom Kulturbetrieb verhätschelt. Dann schrieb ich „Endstufe“, einen Roman, der das Dritte Reich als turbokapitalistisches „Erotik-Wunderland“ schildert, und in dem sich junge Deutsche wie heute junge Amerikaner benehmen. Everybody wants to rule the world. Henryk M. Broder verleumdete mich damals beim Spiegel als Revisionisten und warf mir den Satz vor, es sei auf dieser Welt besser ,Täter als Opfer zu sein. Das mag hart klingen, aber ich bin nun mal ein geborener Erzähler und „ verliebe“ mich in Sätze, obwohl oder gerade weil sie auf eine klarere Sicht der Dinge abzielen. Der deutsche Literaturbetrieb ist eher an Propaganda- und Gefälligkeitsliteratur interessiert.

Welche Rolle spielt bei Ihrer Ausgrenzung Ihr Engagement für die Alternative für Deutschland (AfD), für die Sie zur Bundestagswahl 2017 eine Plakatkampagne entworfen haben?

Kunkel: Feudale Linksliberale sind schlechte Verlierer. Anstatt die Sache sportlich zu nehmen, sind sie nachtragend. Oder anders gesagt: Hätte ich nicht „Trau Dich Deutschland“, den Wahlkampfslogan der AfD, geschrieben, wäre Frau Müller nie auf den Gedanken gekommen, mich so zu dissen. Es besteht für mich jedenfalls kein Zweifel, daß es hier einen Zusammenhang gibt.

Die „Zeit“ wirft Ihnen vor, Sie würden mit Ihren Einlassungen nach Jahren der Mißachtung „dringend einen Skandal anzetteln“, um auf sich aufmerksam zu machen und selbst noch einmal die Hauptrolle zu spielen. Die „Welt“ behauptet, Sie betrieben „Paria-Publicity in eigener Sache“. Hand aufs Herz: Steckt in den Vorwürfen nicht auch ein Körnchen Wahrheit?

Kunkel: Aber ja, wenn das die Marketing-Experten dieser Zeitungen so sehen, wird es schon stimmen ... Den Sticker hat Marc Reichwein von der Welt extra für mich gemacht, toll. Ich persönlich rate eher zu Gelassenheit. Es wird keinen Skandal geben, ganz sicher nicht.

Immerhin erscheint parallel zum Film im Manusciptum-Verlag Ihr Roman „Subs“ in einer Neuauflage. Die Debatte um Sie dürfte dem Verkaufserfolg nicht gerade abträglich sein.

Kunkel: Das bleibt zu hoffen, denn Manuscriptums Mut, auch unbequeme Autoren zu präsentieren, sollte belohnt werden. 

Sind Sie eigentlich mit der Film-Adaption zufrieden?

Kunkel: Genial, wunderbar, ein Meisterwerk des deutschen Films! Meinen Titel „der deutsche Großmeister des Trashs“ – den einzigen, den ich noch habe – vermache ich gerne meinem Freund Oskar Roehler, er hat ihn sich redlich verdient.

Wie gefallen Ihnen die Hauptdarsteller Oliver Masucci und Katja Riemann?

Kunkel: Beide sind klasse! Obwohl ich gezwungen war, mir den Film von einem Stehplatz anzusehen, habe ich oft fast schon Tränen gelacht. Vor allem Oliver Masucci hat es geschafft, die Hauptfigur zum Leben zu erwecken. Er hat offenbar den Roman besser gelesen als die Filmproduzentin.      





Jetzt im Kino: „Herrliche Zeiten“

Der Schönheitschirurg Claus Müller-Todt (Oliver Masucci) und seine Ehefrau, die Gartenarchitektin Evi (Katja Riemann), leben wohlsituiert in einer Villa im noblen Berliner Grunewald. Als ihre Haushaltshilfe eines Tages nicht mehr zur Arbeit kommt, gibt Claus eine witzig gemeinte Zeitungsanzeige auf unter der Überschrift „Sklaven gesucht“. Prompt melden sich Interessenten, die die Formulierung durchaus wörtlich nehmen. Zunächst sind Claus und Evi schockiert, schicken alle wieder nach Hause. Als dann jedoch das gebildete, gepflegte und dienstwillige Pärchen Bartos (Samuel Finzi) und Lana (Lize Feryn) vor ihrer Tür steht, engagieren sie die beiden als ihre persönlichen Haussklaven. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten finden alle Beteiligten Gefallen an dieser anachronistischen Konstellation. Doch als Bartos für seine Herrschaften einen Swimmingpool bauen will und dafür immer mehr billige ausländische Arbeitskräfte anheuert, gerät die Situation langsam außer Kontrolle. Schließlich stellt sich die Frage, wer nun eigentlich der Herr im Haus ist.

In einer Rezension der Buchvorlage „Subs“ von Thor Kunkel hieß es 2011 in dieser Zeitung, der Roman liefere „eine tolle Drehbuchvorlage“, der Film dazu wäre „ein Kassenschlager“ (JF 36/11).

Thor Kunkel: Subs. Roman. Manuscriptum, Berlin 2018, gebunden, 448 Seiten, 19,80 Euro