© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/18 / 04. Mai 2018

Das Kleingedruckte sorgfältig lesen
Finanzen: Die automatisierte Geldanlage erlebt dank geringer Kosten ein rasantes Wachstum / Der „Robo-Advisor“ mußte sich noch nicht in einer Krise bewähren
Thomas Kirchner

Viele haben das Vertrauen in die Finanzbranche verloren. Doch ein Segment boomt: die automatisierte Geldanlage, nach dem englischen „Robo-Advisor“ auch Anlageroboter genannt. Insbesondere jüngere Anleger mit noch geringem Vermögen wenden sich vermehrt diesen vollautomatisierten Diensten zu, die eine günstige, professionelle und emotionslose Vermögensverwaltung versprechen.

Anlageroboter sind eine amerikanische Erfindung. Computergestützte Anlageentscheidungen auf Grundlage der Theorien der Nobelpreisträger William Sharpe und Harry Markowitz werden seit den neunziger Jahren in der professionellen Vermögensverwaltung eingesetzt, 2008 kamen die ersten vollautomatisierten Versionen für Privatanleger auf den Markt. Rückenwind bekam das Geschäftsmodell durch die nach der Finanzkrise angezogene Marktregulierung: die Mindestanlagesumme, ab der sich die klassische Vermögensverwaltung für Privatanleger lohnt, ist stark gestiegen und liegt, je nach Anbieter, zwischen einer Viertelmillion und einer Million.

Selbst die Branchenriesen schieben kleinere Kunden auf Roboter ab. Inzwischen gibt es in den USA rund 200 Anbieter, und sogar Goldman Sachs soll mit dem Anbieter Betterment zusammen einen solchen Dienst vorbereiten. Deutschland ist mit 18 Anbietern noch Entwicklungsland. Der Wettbewerb schlägt sich im Preis nieder: in den USA sind Jahreskosten von 0,2 bis 0,5 Prozent der Anlagesumme üblich, in Deutschland bis zu 0,75. Damit ist der Kostenvorteil gegenüber der klassischen Vermögensverwaltung, die ein bis 1,5 Prozent pro Jahr kostet, in Deutschland geringer.

Hierzulande kam der erste Anlageroboter 2014 an den Markt. Dementsprechend niedrig sind die verwalteten Vermögen: In den USA werden 166 Milliarden Dollar von Robotern verwaltet, die deutschen Anbieter kommen zusammen auf nur 1,4 Milliarden Euro, wovon der Löwenanteil von 600 Millionen auf den größten Anbieter Scalable Capital entfällt. Im Vergleich zu den 20 Billionen Dollar, die klassische Vermögensverwalter in den USA verwalten, bleiben Anlageroboter aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Wachstum der Branche ist zwar hoch, lag bisher aber hinter den Prognosen. Bis Jahresende 2018 erwarten Beobachter ein monatliches Wachstum von 150 bis 200 Millionen Euro in Deutschland, so daß bis Jahresende die Marke von vier Milliarden geknackt werden könnte. Insgesamt dürfte der Markt in Deutschland wegen der ungünstigeren Rahmenbedingungen für private Vermögensbildung aber auch dauerhaft weit hinter dem amerikanischen zurückbleiben.

Übereiltes Verkaufen und verspäteter Einstieg?

Unter dem Begriff Robo-Advisor versammeln sich verschiedenste Geschäftsmodelle. Eine wirkliche individuelle Vermögensverwaltung gibt es nicht, schon aus aufsichtsrechtlichen Gründen. Die meisten Robo-Advisor sind denn auch nichts anderes als eine vollelektronische Kundenakquise. Wie in der klassischen Vermögensverwaltung auch werden Kunden dann in verschiedene Risikoklassen eingeteilt.

Die genaue Vermögensanlage richtet sich nach der Risikoklasse, wobei die automatisierte Geldanlage zumindest theoretisch eine stärker differenzierte Untergruppierung erlaubt. In der Praxis scheint aber kaum ein Anbieter dies auszunutzen, häufig werden den Kunden sogar von Menschen und nicht Computern erstellte Musterportfolios zugeteilt. Automatisierte Geldanlage unterscheidet sich also von der klassischen Vermögensverwaltung hauptsächlich durch das Fehlen eines menschlichen Ansprechpartners, der den Anleger persönlich kennt.

Und genau darin liegt die Schwäche dieses Geschäftsmodells, glaubt man zumindest dem Hauptargument, das für die klassische Vermögensverwaltung spricht. Studien zeigen, daß Privatanleger zum falschen Zeitpunkt kaufen und verkaufen. Läuft die Börse schlecht, verkaufen Privatanleger ihre Anlagen. Läuft sie eine Zeitlang gut, springen Privatanleger auf den Zug auf, der schon längst abgefahren ist. Der persönliche Vertraute bei einer Vermögensverwaltung hält seine Kunden vom Versuch ab, den richtigen Zeitpunkt zum Ein- und Ausstieg zu erraten, und überzeugt, auch nach einer Krise dabeizubleiben und an der Erholung zu partizipieren.

Es wird sich erst nach dem nächsten Crash zeigen, wie die Kunden der Anlageroboter reagieren, wenn kein Vertrauter sie zur Geduld überredet. Ob die geringeren Gebühren ausreichen, den Renditeverlust durch übereiltes Verkaufen und verspäteten Einstieg auszugleichen, kann man bezweifeln. Wahrscheinlich besteht deshalb die Zukunft nicht aus reiner Roboterberatung, sondern, wie Morgan Stanleys Finanzchef Jonathan Pruzan im November klarmachte, aus „einer Mischung von Digitalem und Technologie mit dem persönlichen Element des Beraterkanals“.

Automatisierte Geldanlage ist noch neu und mußte sich noch nicht in einer Krise bewähren. Gut möglich, daß trotz emotionsloser Computer die Anleger bei einem Crash in Panik verkaufen. Wer sich zutraut, auch in schwierigen Zeiten durchzuhalten, kann je nach Anbieter entweder mit der Empfehlung zu einer Bank gehen oder die Anlageempfehlung direkt über den Anbieter umsetzen.

In jedem Fall lohnt es sich für Anleger, das Kleingedruckte bei einer Kontoeröffnung sorgfältig zu lesen. Nur wenn der Anbieter als Berater bei der BaFin registriert ist, muß er ein Beratungsprotokoll erstellen und haftet für Fehlberatung. Die meisten Roboter sind hingegen nur Finanzanlagenvermittler, die nicht haften.

Anbieter automatisierter Geldanlagen:

 www.robo-advisor.de

 www.vanguard.com

 www.schwab.com

 www.betterment.com