© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/18 / 04. Mai 2018

Legal, illegal, piepegal
Einwanderung: Beim Familiennachzug sind Union und SPD weiter uneinig / Reiserouten nur unvollständig erfaßt
Felix Krautkrämer / Christian Vollradt

Beim Thema Asyl scheint die Große Koalition im Bund nicht zur Ruhe zu kommen. Wie der Spiegel berichtet, spitzt sich vor allem der Streit um den Familiennachzug weiter zu. Im Koalitionsvertrag hatte die SPD durchgesetzt, daß ab August pro Monat 1.000 Angehörige von Flüchtlingen mit eingeschränktem (subsidiärem) Schutzstatus nach Deutschland kommen dürfen. Entsprechende Anträge sollten nach dem Willen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) von den Visaabteilungen der deutschen Botschaften vor Ort geprüft werden, so das Nachrichtenmagazin. 

„Skandal, daß die Regierung  die Angaben nicht prüft“

Im Auswärtigen Amt und vor allem beim zuständigen Ressortchef, Außenminister Heiko Maas (SPD), stößt das auf Widerstand. Denn die entsprechenden Auslandsvertretungen – etwa im jordanischen Amman oder in der libanesischen Hauptstadt Beirut – seien zu dieser Prüfung gar nicht in der Lage. Für eine Bearbeitung der Anträge reichten die personellen Kapazitäten überhaupt nicht. Setze sich Seehofer durch, könnten höchstens 20 Anträge pro Monat genehmigt werden, sind Diplomaten überzeugt. Genau dies sei die Absicht des CSU-Ministers, mutmaßen SPD-Politiker: die Zahl der Familiennachzüge dadurch gering zu halten. Geht es nach Maas, soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) für die Prüfung der Anträge auf Familiennachzug von Frauen, minderjährigen Kindern oder Eltern von bereits hier lebenden subsidiär Geschützten zuständig sein. Somit läge die Verantwortung bei dessen oberstem Dienstherrn: Horst Seehofer.

Jenseits der Debatte um Familiennachzug erhellte sich in der vergangenen Woche zumindest ein wenig das Dunkelfeld der Reiserouten. Bereits Anfang März hatte die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des stellvertretenden AfD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Leif-Erik Holm, zutage gebracht, daß etwa ein Drittel aller vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) befragten Asylsuchenden laut eigenen Angaben mit dem Flugzeug eingereist war. Allerdings, so wiegelte die Bundesregierung zunächst ab, seien diese Zahlen statistisch nicht repräsentativ, da nur Schutzsuchende aus neun Hauptherkunftsländern und ausgewählten wichtigen Herkunftsregionen befragt würden. Auch könnten die Antworten der Befragten nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden.

Der Abgeordnete Holm wollte es jedoch genauer wissen und fragte nach weiteren Details zu den vom Bamf befragten Asylsuchenden. Das waren 20.876 der insgesamt 186.000 im Jahr 2017 registrierten Asylsuchenden. Laut der Antwort der Bundesregierung, die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, gaben von diesen Befragten 6.183 an, per Flugzeug eingereist zu sein. 6.431 kamen mit der Bahn, 3.011 mit dem Bus und 2.019 mit dem Auto. 253 berichteten sogar, sie hätten ein Taxi genommen. Zu Fuß hatten dagegen lediglich 172 Befragte die Grenze überquert.

Ähnlich verhält es sich auch im laufenden Jahr. Bis einschließlich März wurden 5.492 Reiserouten abgefragt. Das beliebteste Einreisemittel ist nach wie vor die Bahn (1.813), gefolgt vom Flugzeug (1.662), dem Bus (695) und dem Pkw (475). Zu Fuß kamen, vermutlich bedingt durch den Winter, nur 58 Befragte. 45 Asylsuchende hatten nach eigenen Angaben ein Taxi genommen.

Prinzipiell würden die angegebenen Reiserouten dem Bundesamt die Möglichkeit bieten, auch die Glaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte zu überprüfen. Doch das findet nach Angaben der Bundesregierung nicht statt. Der Grund: Die Auswertung laufe anonymisiert ab.

Somit kann anhand der Reiseroutenbefragung nicht herausgefunden werden, ob der Asylantragsteller möglicherweise über ein sicheres Drittland, beispielsweise einen EU-Mitgliedsstaat, eingereist ist. Genau das wäre laut Holm aber angesichts zahlreicher Berichte, nach denen griechische und italienische Behörden Flüchtlinge ungehindert nach Deutschland weiterreisen ließen, dringend notwendig.

„Es ist skandalös, daß die Bundesregierung die Angaben der Asylbewerber zu ihrem Reiseweg überhaupt nicht nachprüft, selbst wenn diese angeben, auf illegalem Wege per Flugzeug oder Bahn eingereist zu sein.“ Die Deutschen hätten ein Recht darauf zu erfahren, wer in die Bundesrepublik einreise und woher er komme. Daß etwas, so AfD-Mann Holm, „gehörig aus dem Ruder“ laufe, lasse sich auch an der rasant gestiegenen Zahl der illegalen Einreisen per Flugzeug ablesen. Zählten die Beamten 2010 noch 6.254 illegale Einreisen an deutschen Flughäfen, waren es 2016 bereits 9.914 und 2017 sogar 11.220 – davon mehr als die Hälfte (6.866) in Frankfurt am Main. Die zahlenmäßig größte Gruppe stammte 2017 dabei mit 901 Fällen aus Syrien, gefolgt von China (799), der Türkei (784) und Rußland (592).

„Wie kommen Personen ohne Aufenthaltstitel oder Einreisegenehmigung eigentlich ins Flugzeug nach Deutschland?“ fragt Holm im Gespräch mit der JF. „Das ist dringend mit den zuständigen Ländern zu klären, damit dieser Zustand abgestellt werden kann“, fordert er.

Immerhin eine Änderung gibt es seit vergangenem Monat: Mehr als ein Jahr nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge begonnen hatte, den Reiseweg von Asylsuchenden abzufragen, wird seit März nun bei Flüchtlingen, die per Flugzeug kommen, auch das Land des Abfluges erfragt. Genau das hatte Holm nach der ersten Antwort der Bundesregierung gefordert.

Zufrieden ist der AfD-Fraktionsvize dennoch nicht. Bundesinnenminister Horst Seehofer müsse umgehend dafür sorgen, daß alle Angaben von Asylsuchenden zu ihrer Einreise nachgeprüft würden, insbesondere wenn diese angäben, per Flugzeug oder Bahn gekommen zu sein. „Für mich ist ganz klar: Wer hier illegal mit dem Flugzeug oder der Bahn einreist, hat kein Recht auf Asyl und muß unverzüglich dahin abgeschoben werden, von wo aus er eingereist ist.“