© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/18 / 04. Mai 2018

Kreuze in Bayerns Behörden
Kruzifix noch amol!
Wolfgang Ockenfels

Das Symbol des Kreuzes evoziert wieder politische Fronten. Seit dem Erlaß der Bayerischen Staatsregierung, in allen Behörden künftig Kreuze aufzuhängen, wird zwischen Staat, Kirchen und Parteien heftig um die Bedeutung des Symbols gerungen. Und es ist noch nicht klar, wer „in diesem Zeichen“ siegen wird. Ob dieser Streit, der unter den verschärften Bedingungen des bayerischen Wahlkampfs ausgefochten wird, der CSU zum Segen gereicht, ist noch nicht ausgemacht.

Freilich verlaufen die Fronten kreuz und quer. Als Streitschlichter kommt das Bundesverfassungsgericht einstweilen kaum in Betracht. Es hatte schon vor über zwanzig Jahren mit seinem Urteil über die Kreuze in den Schulen Bayerns restriktiv entschieden: Das Kreuz sollte nicht mehr als zivilreligiöses Kultursymbol der abendländischen Werteordnung gelten, sondern wurde derart mit christlichen Glaubensinhalten aufgeladen, daß es in keine staatliche Schule mehr zu passen schien. Was die CSU-Regierung nicht davon abhielt, es trotzdem in den Schulen zu belassen.

Für die Beibehaltung in staatlichen Schulen und Gerichtssälen plädierte auch Kardinal Reinhard Marx – in seiner Karfreitagspredigt 2015. Inzwischen hat er sich aber scharf gegen den neuen Behörden-Kreuz-Erlaß ausgesprochen. Aber was macht hier den Unterschied? Warum wirft der Kardinal dem Ministerpräsidenten Markus Söder vor, „Spaltung, Unruhe, Gegeneinander“ ausgelöst zu haben? Das müßte man schon erklären, wenn man sich selber an den Spaltungen beteiligt.

„Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen wird, hat man es nicht verstanden“, meint Marx, der damit die religiöse Deutungshoheit beansprucht. Aber es gibt noch andere, und zwar säkulare, geschichtliche, zivile, kulturelle und politische Deutungsansprüche und -muster, die weit über den religiös-kirchlichen Aspekt hinausragen.

Die Bedeutung eines Kreuzes hängt nämlich vom Kontext und von der Situation ab, in denen es zur Geltung gebracht wird. Kreuze sind nicht Kreuze an und für sich, sondern befinden sich am Straßenrand, auf Berggipfeln, auf Friedhöfen, in Wirtshäusern, bei der Bundesluftwaffe – es gibt sogar Bundesverdienstkreuze – oder in Kirchen. Dort haben sie jeweils ihre eigene Bedeutung. Es hat auch eine eigene erklärungsbedürftige Bedeutung, wenn Bischöfe ihre Brustkreuze auf dem Tempelberg in Jerusalem bewußt ablegen. Was Multikulti und Toleranz gegenüber Minderheiten betrifft, wäre schon viel gewonnen, wenn diese auch mal die Symbolik einer Mehrheitsgesellschaft tolerierten. Freilich sollte man auf den fundamentalistischen Ehrgeiz verzichten, das Kreuz als spezifisches Symbol des christlichen Glaubens zur politischen Machtfrage hochzuspielen. Einstweilen genügt es, bei der nächsten Wahl das Kreuz an der rechten Stelle zu machen.