© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/18 / 27. April 2018

Hatespeech aus der Zone
Vor 100 Jahren wurde Karl-Eduard von Schnitzler geboren: Der Propagandist agitierte im „Schwarzen Kanal“ des DDR-Fernsehens jahrelang gegen den Westen
Thomas Schäfer

Daß die Menschen in den östlichen Bundesländern heute so allergisch auf lügende Medienvertreter reagieren, ist in ganz wesentlichem Maße auch das „Verdienst“ von Karl-Eduard von Schnitzler, genannt „Sudel-Ede“, welcher am 28. April 1918 in Berlin das Licht der Welt erblickte. 

Genau 1.519mal traktierte der dick bebrillte und arrogant näselnde Urenkel des 99-Tage-Kaisers Friedrich III. die entnervten Fernsehzuschauer der Deutschen Demokratischen Republik in seiner allmontäglichen Propagandasendung „Der Schwarze Kanal“. Dem vorausgegangen war eine Karriere beim Nordwestdeutschen Rundfunk in Hamburg und Köln, die Ende 1947 abrupt endete, weil der Adelssproß fortwährend kommunistische Propaganda betrieb. 

Es folgte der Wechsel in die Sowjetische Besatzungszone, wo sich der Eiferer von Schnitzler später zum Chefkommentator des DDR-Fernsehens hocharbeitete, dessen erklärtes Credo lautete: „Ich bin ein Politiker, der den Beruf des Journalisten ausübt.“

Und so ließ er denn kein gutes Haar an dem „jämmerlichen Staat BRD“ und dem „stinkenden Westberlin“ sowie den „Nazis auf der Regierungsbank“ in Bonn, die er unablässig mit wirr zusammengefügten Schnipseln aus ARD- und ZDF-Sendungen zu „entlarven“ suchte. Gleichzeitig verteidigte von Schnitzler die Politik von Ulbricht – der ihm übrigens verbot, seinen Adelstitel abzulegen – und Honecker: Die Mauer sei eine friedenssichernde Maßnahme der DDR, Mauertote schlicht und einfach zur Strecke gebrachte Kriminelle und so weiter. 

Einkaufs- und Sauftouren in West-Berlin

Dabei war sich von Schnitzler für keine Lüge und keine Bauernfängerei zu schade, was übrigens nicht nur für den „Schwarzen Kanal“, sondern auch sein sonstiges Œuvre galt, für das er den Nationalpreis und Vaterländischen Verdienstorden in Gold sowie den Karl-Marx-Orden erhielt. So entdeckten Medienwissenschaftler der Universität Leipzig alleine in dem Dokumentarfilm „Du und mancher Kamerad“ 23 brutal manipulierte Sequenzen. Am skurrilsten geriet freilich die Reportage „Zwischen Euphrat, Tigris und Golan“ aus dem Jahre 1974: Der Islam wird in dem Streifen nirgendwo erwähnt, und in dem zentralen schiitischen Wallfahrtsort Kerbala im Irak zeigte von Schnitzler nur einen einzigen Betenden vor dem Imam-Husain-Schrein, auf dessen markanter goldener Kuppel zudem – man glaubt es kaum – die Rote Fahne wehte! 

Trotz seines Hasses auf die „Imperialisten“ in Bonn und West-Berlin hatte der große Agitator allerdings kein Problem damit, regelmäßig jenseits des „Antifaschistischen Schutzwalls“ auf Einkaufs- oder Sauftour zu gehen. Ersteres galt auch für von Schnitzlers vierte Ehefrau, die ungarische Schauspielerin Marta Rafael, welche aber wohl zu geizig war, die reichlich vorhandenen D-Mark auszugeben und deshalb in einem WestBerliner Kaufhaus auf Diebestour ging, wobei sie ertappt wurde. Das schadete der Karriere des moralisch biegsamen Hetzers jedoch genausowenig wie seine eigenen Eskapaden: „Karl-Eduard von Schni...“ – so genannt wegen der Tatsache, daß die meisten Zuschauer blitzartig umschalteten, wenn sie den verhaßten Namen hörten – stürzte erst im Zuge der Wende in der DDR, als die Demonstranten neben dem Rücktritt der SED-Führung gleichermaßen ein Ende der Ausstrahlung des „Schwarzen Kanals“ forderten.

Dabei zeigt sich der bornierte Propagandist auch beim allerletzten Fernsehauftritt am 30. Oktober 1989 kämpferisch und schloß mit der Ankündigung, er werde seine „Arbeit als Journalist für die einzige Alternative zum unmenschlichen Kapitalismus fortsetzen“, denn er habe nichts zu bereuen, obwohl „der Umgang mit der oft unbequemen Wahrheit schwer“ gewesen sei: Der „Schwarze Kanal“ verdiene als Beitrag zur „Hygiene im Äther“ immerwährende Anerkennung.

Bei dieser Haltung blieb von Schnitzler bis zu seinem Tode am 20. September 2001. Das heißt aber nicht, daß er seither in Vergessenheit geraten wäre. Vielmehr kündigte die AfD vor einiger Zeit an, für Pressevertreter, welche wissentlich falsch berichten, einen Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis auszuloben. Und tatsächlich gäbe es dafür reichlich Anwärter.