© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/18 / 27. April 2018

Grüße aus Brüssel
Hauptstadt der Spione
Albrecht Rothacher

Auch wenn der unglückliche Dimitri Skripal seinerzeit noch in Wien ausgetauscht wurde, hat Brüssel mit seinen 100.000 internationalen Beamten und Firmenlobbyisten der Donaumetropole mittlerweile den Rang abgelaufen. In den drei russischen Botschaften arbeitet von 170 Diplomaten mindestens die Hälfte für den Auslandsgeheimdienst SWR und für den militärischen Geheimdienst GRU. Sie stehen unter starkem Erfolgsdruck und sind damit die Hauptkunden der westlichen Spionageabwehr, gefolgt von den Chinesen.

Wie aber erkennt man einen Spion? Am einfachsten ist es bei den Chinesen. Man wird im Internet ausgespäht und erhält die Kontaktaufnahme einer niedlichen Suzie Wong aus Hongkong, die zufällig zum gleichen Thema promoviert und sich gerne zu einem romantisch-professionellen Gedankenaustausch treffen will. Dann erfolgt die Offerte, für einige belanglose Forschungspapiere gut zu bezahlen. Die Aufträge steigern sich und werden heikler. Leider verbirgt sich hinter der charmant twitternden Suzie ein glatzköpfiger Geheimdienstmajor. 

Die geschulten Anwerber fixieren wie ein Löwenrudel die grasende Gazelle.

Die russische Taktik ist altmodischer. Es wird auf angelegte Personalarchive zurückgegriffen und das Objekt sorgfältig auf Schwachstellen abgeklopft. Als da sind Schwächen für hübsche Frauen, Drogen, Schulden oder die Sucht nach Anerkennung in einem frustrierenden beruflichen Umfeld. Der erste Ansatz ist das „Zufalls“-Treffen auf einem Thinktank-Abend mit Rußlandbezug, gefolgt vom Anruf des russischen Diplomaten mit interessanten Fragen und der Bitte, das freundschaftliche Gespräch bald außerhalb des Büros fortzusetzen.

Die geschulten Anwerber fixieren wie ein Löwenrudel die grasende Gazelle. Sie kennen ihr  Gegenüber durch gründliche Erkundungen gut und suchen es durch Schmeicheleien und gezielte Geschenke gefügig zu machen. Zur Not helfen kompromittierende Fotos, Drohungen und Geld. Anders ist dies beim Mossad. Er verläßt sich auf die Netzwerke der Israelfreunde und jüdischen Glaubensgenossen. Noch einfacher die CIA. Diese lädt im diplomatischen Gewand zum freundlichen Abendessen unter Verbündeten in einem noblen Brüsseler Restaurant ein und schöpft bei Strömen von edlem Wein mit wohlvorbereiteten Fragen systematisch ihre Quelle ab – von ihren Opfern völlig unbemerkt. Dreimal darf man raten, welcher Ansatz in der hohen Schule der Brüsseler Spionage wohl der intelligentere und ertragreichere ist.