© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/18 / 27. April 2018

„Wegducken ist die falsche Strategie“
Linksextremismus: Angesichts jüngster Übergriffe in Berlin rechnet die Polizei mit massiven Ausschreitungen am 1. Mai / Opposition gibt Senat eine Mitschuld
Ronald Berthold

Als die Beamten mit ihrem Polizeiwagen eine Brücke im bürgerlichen Berliner Stadtteil Treptow unterqueren, treffen mehrere Pflastersteine das Auto. Der Schreck ist groß, das Fahrzeug beschädigt, aber die Polizisten bleiben unverletzt. Anschläge wie diese häufen sich in der Hauptstadt. Fast nie können die Beamten die Täter ermitteln, vermuten diese aber im linksextremen Milieu. Die Gewalt von dieser Seite eskaliert und könnte am 1. Mai einen neuen Höhepunkt finden. 

Schon jetzt rufen Autonome massiv zu Attacken gegen die Polizei im Alltag auf. Auf der Internetseite „Indymedia“ hieß es kürzlich, man habe die „Schweine“ – gemeint sind Sicherheitskräfte – „zum Abschuß freigegeben“. Die linksradikale Szene verübt derzeit einen „Steinhagel“ gegen die Beamten. Ziel sei es, daß kein Polizist mehr „ohne Angst“ in Berlin unterwegs sein könne. Dafür werden Beamte per Notruf in Hinterhalte gelockt und dann angegriffen. Besonders dramatisch ist die Situation in Friedrichshain. Rund um ein sogenanntes „linkes Wohnprojekt“ in der Rigaer Straße machen als „Aktivisten“ verharmloste Gewalttäter beinahe täglich Jagd auf Uniformierte. Sie werfen gezielt Steine und Gehwegplatten vom Dach, sobald sie Polizisten erblicken. Die Beamten zählten zuletzt rund 25 solcher Angriffe. Festnahmen: Keine. Wie durch ein Wunder wurde noch niemand getötet.

Linksextreme wollen        Polizei auskundschaften

Die Polizei ist hilflos. Zutritt zu dem besetzten Haus kann sie sich aufgrund der Militanz und Gewaltbereitschaft nur in großer Anzahl verschaffen. Zuletzt mußten 350 mit Kampfmontur ausgerüstete Beamte anrücken, um zwei Haftbefehle zu vollstrecken. Die Einsätze sind umstritten. Viele Beamte vermissen den Rückhalt des rot-rot-grünen Senats. 

Die CDU fordert, daß die Regierungsparteien aufhören sollten, „mit Linksextremisten klammheimlich zu sympathisieren“. Innenexperte Burkard Dregger: „Wegducken bei linker Gewalt ist die falsche Strategie.“ Ähnlich äußern sich die anderen Oppositionsparteien. Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Karsten Woldeit, wirft dem Senat vor, „auf dem linke Auge blind zu sein“. Es sei „unerträglich, daß der Senat gegen Extremismus nur dann vorgeht, wenn er von ‘rechts’ kommt, während sich Linksextremisten in Berlin austoben können, ohne ernsthafte Konsequenzen befürchten zu müssen“. Und die FDP sieht es inzwischen als „folgerichtig“ an, „daß die linke Gewalt in Berlin immer weiter eskaliert, wenn die Koalition sich nach wie vor weigert, Linksextremismus zu verurteilen und vor allem entschieden gegen die Täter vorzugehen.“ Sie spricht sogar von „Terrorismus“.

Denn nicht nur Polizisten sind Zielscheiben der Gewalttäter. Nach mehreren Anschlägen auf Kabel der S-Bahn, die den Nahverkehr zum Teil tagelang lahmlegten, verübten ebenfalls bisher nicht festgenommene Linke nun einen Brandanschlag auf acht 10.000-Volt-Kabel in Charlottenburg. Rund 6.500 Wohnungen und 400 Firmen waren viele Stunden ohne Strom. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte dazu, dies sei „kein dummer Scherz“. Die AfD kritisierte das Statement als „windelweich“ sowie „lasch“ und nannte Müller den „Ignorierenden Bürgermeister“.

Auch zu diesem Verbrechen hatten sich auf „Indymedia“ Linksextremisten bekannt. Die Internetseite übernimmt die Funktion, die das im vergangenen Jahr verbotene Schwesterportal „linksunten.indymedia“ ausübte. Offen wird nun dort zur Gewalt aufgerufen und beschrieben, wie die Anschläge verübt werden müßten: Die Täter sollten Strecken von Funkstreifen auskundschaften, sich dann mit Pflastersteinen eindecken und für ihre Attacken dunkle Ecken mit geeigneten Fluchtwegen suchen: „Wir hoffen, daß es bei unserem Kampf nicht zu viele Verletzte gibt – außer natürlich auf seiten der Polizei.“

Die Drohungen werden zudem immer persönlicher. „Indymedia“ veröffentlichte zunächst im Dezember Fotos von 54, nun von 17 Beamten. Dazu hieß es im Text: „Wir freuen uns über Hinweise, wo sie wohnen oder privat anzutreffen sind.“ Trotz dieser Anfeindungen ist von einem Verbot auch dieser Seite bisher nichts zu hören.

Und nun steht der „Tag der Arbeit“ vor der Tür, den die linke Szene mit ihrer „Revolutionären 1. Mai-Demo“ seit Jahrzehnten für massive Ausschreitungen nutzt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Anschläge fürchten Polizisten Schlimmes. Und daß der Aufmarsch erneut geduldet werde, obwohl er „rechtswidrig ohne Anmeldung stattfinden soll“, kritisiert die AfD. Woldeit sagt: „Man kann sicher sein, daß der Senat diese Extremisten auch in diesem Jahr gewähren lassen wird. So wird der Rechtsstaat untergraben.“