© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/18 / 20. April 2018

Ein sinnloser Einsatz mit höchster politischer Bedeutung
Somalia-Mission der Bundeswehr: Vor 25 Jahren unternahm Bonn mit der ersten größeren „Out of area“-Mission zaghafte geopolitische Gehversuche
Paul Rosen

Wir sind wieder in der Familie“, rief Generalmajor Georg Bernhardt, als er 1993, vor nunmehr 25 Jahren, aus einem deutschen Militärfahrzeug in den somalischen Wüstensand sprang. Der Bundeswehr-Verband war, unterstützt von italienischen Soldaten, tief in das somalische Hinterland nach Belet Uen eingedrungen, um im Rahmen der UN-Mission Unosom II mitzuhelfen, das ostafrikanische Bürgerkriegsland Somalia zu stabilisieren. 

Das frisch wiedervereinigte Deutschland hatte heftige Debatten über die Rolle seiner Streitkräfte geführt. Die linken Kräfte von SPD bis PDS lehnten mit Blick auf die deutsche Vergangenheit bewaffnete Einsätze der Bundeswehr im Ausland ab, die für Armeen andere Länder zum täglichen Brot gehörten. CDU/CSU und der größere Teil der FDP wollten Deutschland nicht isoliert sehen und sprachen sich für die Teilnahme an internationalen Einsätzen aus. Die Wogen gingen hoch, und natürlich wurde das Bundesverfassungsgericht angerufen, das sich aber im Fall Somalia mit einer Einbettung in eine internationale Mission und mit einem Bundestagsbeschluß zufrieden zeigte. 

Zuvor hatte die Bundeswehr sich mit unbewaffneten Sanitätern an einem Einsatz in Kambodscha beteiligt. Das war in Somalia anders. Der entsandte verstärkte Nachschub- und Transporteinsatzverband, gesichert von Fallschirmjägern und Gebirgsjägern mit zunächst 1.725 im ersten Kontingent und zuletzt 1.300 Soldaten des zweiten Kontigents war bewaffnet und durfte schießen – wenn auch nur zur Selbstverteidigung. 

Sich mit einem Unterstützungsverband an die UN-Mission in Somalia dranzuhängen, war aus Sicht von Kanzler Helmut Kohl und Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) ein geschickter Schachzug, um Deutschland und die deutsche Armee zu einem Teil der internationalen „Familie“ (Generalmajor Bernhardt) zu machen. Somalia war den meisten Bundesbürgern bekannt: Hier hatten deutsche GSG 9-Spezialkräfte unter Kommando von Ulrich Wegener auf dem Flughafen der somalischen Hauptstadt Mogadischu doch 1977 die Geiseln in der von palästinensischen Terroristen entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ befreit. Wegeners „Operation Feuerzauber“ hatte das Selbstbewußtsein der Bundesrepublik wachsen lassen. 

Die Erinnerung an Mogadischu erleichterte den deutschen Einsatz in der Wüste, der größtenteils harmlos verlief. Für Gefechte waren ohnehin die Italiener zuständig. Nur in der Nacht zum 21. Januar 1994 erschossen deutsche Soldaten einen jungen Somalier, der in das Feldlager eingedrungen war. Das war auch schon der schwerwiegendste Zwischenfall. Probleme gab es nur mit dem Rauschgiftkonsum von Soldaten (die die Drogen bei den Somalis kauften) und mit Bundestagsabgeordneten, die so zahlreich wie somalische Wüstenfliegen in das Lager einfielen, wie es im Heeresspott damals hieß. Neben ein paar Brunnen bohren, die später fast alle mit Minen unbrauchbar gemacht wurden, und dem Bau mehrerer Schulen hatte der deutsche Verband nichts zu tun: Die indischen Soldaten, die unterstützt werden sollten, kamen nie in Belet Uen an. Militärisch war der Einsatz sinnlos, politisch höchst bedeutend. Die deutsche Marine, die damals noch über einsatzfähige Schiffe in ausreichender Zahl verfügte, brachte den „Deutschen Unterstützungsverband Somalia“ im März 1994 wieder nach Hause.