© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/18 / 13. April 2018

„Wir haben uns im Markt etabliert und Expertenwissen aufgebaut“
Sozialindustrie: Privatunternehmen wie die Essener European Homecare GmbH profitieren von der milliardenschweren „Willkommenskultur“
Christian Schreiber

Gerd Müller hat die Kosten der bundesdeutschen „Willkommenskultur“ für die Steuerzahler grob beziffert: „Für eine Million Flüchtlinge geben Bund, Länder und Gemeinden 30 Milliarden Euro im Jahr aus“, verriet der CSU-Politiker in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. „Das Geld wäre in den Herkunftsländern besser angelegt“, mahnte der Entwicklungshilfeminister.

Die Regierenden könnten alternativ auch die Mehrwertsteuer um ein Drittel senken oder den Bundesverkehrsetat verdoppeln. Doch da es dafür keine politische Mehrheit gibt, fließen die Steuermilliarden weiter – zugunsten vielfältiger Profiteure. Im Schnitt 2.500 Euro pro Monat kostet laut Müller-Kalkulation ein Asylsuchender. Bar ausgezahlt werden laut Asylbewerberleistungsgesetz für den „notwendigen Bedarf“ und den „notwendigen persönlichen Bedarf“ in der „Regelbedarfsstufe 1“ maximal 332 Euro. Wer die restlichen 2.267 Euro erhält, ist schwierig zu ermitteln. Krankenversicherung sowie kirchliche und soziale Großverbände werden genannt.

Auch Privatfirmen verdienen nicht erst seit drei Jahren blendend, wenn sie auf das richtige Geschäftsmodell setzen: „European Homecare ist ein mittelständisches Familienunternehmen, das sich auf soziale Dienstleistungen spezialisiert hat. Wir helfen der Politik in ganz praktischer Hinsicht bei der Erfüllung bestimmter Aufgaben, die sich zum Beispiel aus dem Grundrecht auf Asyl ergeben“, heißt es in der Selbstbeschreibung des Essener Unternehmens. Das 1989 gegründete Unternehmen zähle „zu den leistungsfähigsten und effizientesten Anbietern für soziale Dienstleistungen“.

Als ab Sommer 2015 Unterkunft für Hunderttausende Zuwanderer aus Afrika und Asien benötigt wurde, schlug die Stunde der European Homecare GmbH. Alleine in der Ruhrgebietsmetropole Essen schuf der Asyldienstleister eine Zeltstadt für 4.000 Bewohner. Obwohl Helfer katastrophale hygienische Verhältnisse und eine mangelhafte Versorgung beklagten, erhielt European Homecare laut Handelsblatt für jeden Zeltplatz 1.700 Euro im Monat. 2015 machte die Firma einen Umsatz von 177 Millionen Euro, nach 39 Millionen im Vorjahr.

Betriebsergebnis ist auf 55,2 Millionen Euro gestiegen

Derzeit betreut und versorgt European Homecare laut eigenen Angaben „Asylbewerber und Flüchtlinge“ in unterschiedlichen Einrichtungen. Zusätzlich sei man „im Bereich der psychosozialen Betreuung im Transitbereich des Flughafens Düsseldorf, in der mobilen Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) und von ausreisepflichtigen Ausländern in einer Justizvollzugsanstalt tätig“.

Laut dem kürzlich im Bundesanzeiger veröffentlichten „Lagebericht für das Geschäftsjahr 2016“ steigerte European Homecare seine Umsatzerlöse von insgesamt 177,7 auf 277,8 Millionen Euro, was einem Zuwachs um 56 Prozent entspricht. Der Gewinn stieg dabei im Vergleich zum Vorjahr um knapp 27 Prozent auf 32 Millionen Euro. Gleichzeitig stieg die Mitarbeiterzahl von 1.100 auf 2.700. Der Personalaufwand sei um 52,5 auf 88 Millionen Euro gestiegen. „Im Geschäftsjahr 2016 haben wir in sieben verschiedenen Bundesländern insgesamt 125 Betriebsstätten (im Vorjahr 120 Betriebsstätten) unterhalten“, heißt es im Jahresabschluß 2016. Der Rückgang der Asylbewerberzahlen habe „anders als erwartet“ keine Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn gehabt.

Das Betriebsergebnis ist um 12,7 auf 55,2 Millionen Euro gestiegen. „Der Jahresüberschuß liegt mit 32,4 Millionen Euro um 6,8 Millionen Euro über dem Vorjahresergebnis“, schreibt European Homecare. Obwohl man mittelfristig wahrscheinlich weniger Einrichtungen betreiben und damit auch geringere Umsätze generieren werde, äußert sich das Unternehmen zuversichtlich: „Wir haben uns in den letzten Jahren im Markt etabliert und Expertenwissen aufgebaut. Auch wenn die Anzahl der Flüchtlinge sich zukünftig verringert, sehen wir durchaus Chancen, uns auch zukünftig in diesem Umfeld zu behaupten.“

Weil sich die Bild-Zeitung Einsicht in Verträge zwischen der Stadt Essen und European Homecare erstritten hat, wurde öffentlich, daß neben einer Miete von 653,28 Euro pro Bett zusätzlich knapp 1.200 Euro für die Verpflegung sowie Wachpersonal, Sozialarbeiter und Reinigung der Anlagen vereinbart worden waren. Bei geringer Auslastung könnten sich die Gesamtkosten auf monatlich bis zu 9.400 Euro pro Flüchtling erhöhen, denn Container für Küche, Toiletten und Wachpersonal wurden laut Bild zusätzlich abgerechnet.

Daß über die Firma überhaupt berichtet wurde, hat mit ihren Skandalen zu tun. Die teure „Willkommenskultur“ wird weder von Bild noch dem Handelsblatt in Frage gestellt – und das erklärt den betriebswirtschaftlichen Optimismus nicht nur von European Homecare-Geschäftsführer Sascha Korte.

European Homecare GmbH:  www.eu-homecare.com