© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

News mit viel Blabla
Kurz vor Ostern startete Ströer sein Jugendportal watson.de / Wirklich Neues bietet es nicht
Ronald Berthold

Die Schlacht um jugendliche Leser im Internet verschärft sich. Nachdem die Zeit mit „ze.tt“, der Spiegel mit „bento“ und der Stern mit „Neon“ den Markt beherrschen (JF 46/16), kommt nun Ströer hinzu. Der Dienstleister stellt ursprünglich deutschlandweit Plakatwände für Werbekunden zur Verfügung. Aber nachdem er bereits den Internetauftritt von T-Online übernommen hat und diesen zum „neuen digitalen Leitmedium“ ausbauen möchte (JF 42/17), will das Unternehmen nun junge Leser gewinnen. Denn dort steckt großes Potential für Anzeigenumsätze. „Watson“ heißt die Plattform, die vor Ostern online gegangen ist.

Möchtegern-hip, links und selbstgefällig

Mit großem Erfolg läuft unter demselben Namen in der Schweiz bereits eine Nachrichtenseite für junge Leute, die Ströer allerdings die „Generation Mobile“ nennt – und damit Menschen meint, die mit dem Smartphone aufgewachsen sind. Die Seiten in den beiden Ländern unterscheiden sich strukturell nicht voneinander. Ausnahme: Anstelle „Schweiz“ lautet „Deutschland“ der erste Punkt auf der horizontalen Menüleiste. Das ist einer der Gründe, warum der Launch vorgezogen werden konnte. Denn optisch ist watson.de eine hundertprozentige Kopie von watson.ch.

Auffällig ist, daß die 25köpfige Redaktion die „Generation Mobile“ offenbar nicht mit Politik langweilen möchte. Show, Sport und Vermischtes stehen im Vordergrund. Unter dem Ressort „Deutschland“ finden sich politische Themen, die leicht und abseitig aufbereitet sind. „Bienen sind die neuen Banken“, heißt es da zum Beispiel. Unterzeile: „Warum Bienen das neue Hype-Thema bei Politikern sind“. Offenbar ist „Watson“ das einzige Medium, das diesen Hype ausgemacht hat. Im Text folgt dann eine Plauderei – Spötter würden sagen: „Laberei“ – über „Müßiggänger-Bienenmann und Workaholic-Bienenfrau“. Gähn, seufzen da die Mitglieder der „Generation Mobile“. Der Werbeslogan der neuen Webpräsenz lautet: „News ohne Bla Bla“. Die Redaktion führt ihn allerdings nicht nur in diesem Beitrag ad absurdum.

Während die Öffentlichkeit über die Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland und religiöses Mobbing von Schülern diskutiert, berichtet das Portal über einen vermeintlichen Metallstock-Angriff auf Jutta Ditfurth im ICE – mit tagealten Zitaten aus deren Facebook-Beitrag. Dann erfahren die Leser noch, daß die „Aktivistin“ den Vorfall nicht zur Anzeige gebracht habe: „Ich war leider zu verwirrt, um darauf zu bestehen, die Polizei zu rufen.“ Im Mediengeschäft heißt das eigentlich: Nachrichtenrelevanz gleich null, es sei denn, man möchte unbedingt die Jugend darüber informieren, wie gefährlich Gutmenschen leben. Aber: Ob die „Generation Mobile“ die Uralt-Linke überhaupt noch kennt? Bereits 1991 ist die heute 66jährige bei den Grünen ausgetreten. Eine Frau von gestern als Aufmacher für die Leute von morgen?

Daß zahlreiche Jugendliche, also die eigentliche Zielgruppe, just an jenen Tagen Opfer von diversen Messerattacken wurden, ist für „Watson“ kein Wort wert. Dafür dominieren im semi-politischen Ressort Schlagzeilen wie „Das Internet liebt das neue Facebook-Bild von Angela Merkel“, die AfD als „Lachnummer“ oder „Sechs Dinge, die du jetzt über die Rechten in Kandel wissen mußt“.

Die Redaktion ist zu Teilen von „bento“ und „ze:tt“ zusammengekauft und macht offenbar genau da weiter, wo sie bei den Mainstream-Medien aufgehört hat: möchtegern-hip, links und selbstgefällig. Auf diese Weise ist „Watson“ keine Bereicherung für das Jugendsegment im Medienmarkt, sondern lediglich eine Ergänzung des bestehenden engen Korridors, in dem Spiegel, Stern und Zeit mit ihren Ablegern die Jugend unterhalten und „informieren“ möchten.

Bezeichnend, daß Michael Wanner, Geschäftsführer der Schweizer Mutter, bei der Vorstellung auf die Rhetorik und weniger auf die Inhalte abhob: „Unser Erfolgsmodell: Wir sprechen die Sprache der Zielgruppe, die mit Social Media aufgewachsen ist, und passen uns den Nutzungsgewohnheiten dieser Generation an. Unser Content ist so aufbereitet, wie es die Generation Social Media gewohnt ist – mit allen Facetten des digitalen Storytelling.“

Bisher sind das eher leere Worte. Höchste Zeit für Verstärkung. Und dafür verfügt Ströer offenbar über genug Geld. „Watson“ kooperiert mit „2nd Wave“, das die Youtube-Stars „PietSmiet“ sowie „Lefloid“ unter Vertrag hält und Reichweite verspricht. Die beiden sollen demnächst für „Watson“ arbeiten und könnten dafür sorgen, daß sich das Portal von den Mitbewerbern unterscheidet. Die Influencer haben Millionen von „Followern“ unter der „Generation Mobile“.