© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

Biernotstand auf der kommunistischen Trauminsel
Wirtschaftspolitik: Eine kubanische Sonderwirtschaftszone und ein Tiefseehafen sollen ausländische Investoren anlocken / Versorgungskrise im Gesundheitswesen
Alessandra Garcia

Donald Trump verdankt seinen Wahlsieg auch den Stimmen rechter Exil-Kubaner, die mit Barack Obamas Tauwetterpolitik haderten. Und der US-Präsident erfüllte auch in der Kuba-Politik seine Wahlversprechen: US-Bürger müssen seit November 2017 wieder bei amerikanischen Reisebüros buchen und bei ihrem Urlaub eine schwarze Liste mit verbotenen Hotels, Geschäften und Firmen beachten.

Das dürfte den Touristenansturm aus God’s own Country in diesem Jahr abebben lassen. 2017 waren 620.000 der 4,25 Millionen Kuba-Touristen US-Bürger – ein Anstieg um 217 Prozent im Vergleich zu 2016 und nach den Kanadiern die zweitgrößte Besuchergruppe. Die Touristenzahl aus Rußland (100.000) verzeichnete einen Anstieg von 68 Prozent. Zusammen mit dem Mehr an Gästen aus Argentinien, Brasilien, Frankreich, Italien und Spanien führte das zu Engpässen bei der Bierversorgung bei den Einheimischen. Das Murren darüber war so groß, daß sich die kommunistische Regierung veranlaßt sah, Gestensaft aus Brasilien, Mexiko und der Dominikanischen Republik zu importieren. Eine neue Brauerei für das Leichtbier „Cristal“ in der „Zona Especial de Desarrollo Mariel“ soll nun Abhilfe schaffen.

Diese Sonderwirtschaftszone wurde 2014 in dem 45 Kilometer westlich von Havanna entfernten Küstenort Mariel für ausländische Investoren eingerichtet. Die Regierung will hier auf 466 Quadratkilometern „Kapitalismus“ versuchen. Dafür wurde die seit 1995 vorgeschriebene Staatsquote von 51 Prozent bei Joint-Ventures ausgesetzt. Auch werden die Firmen in den ersten zehn Jahren von der Gewinnsteuer und lokalen Abgaben wie der Lohnsteuer befreit.

Der Hafen von Mariel wurde für 600 Millionen Dollar vom brasilianischen Skandalunternehmen Odebrecht zum größten Containerhafen der Karibik ausgebaut. Containerschiffe mit einem Tiefgang von bis zu 15 Meter sollen künftig hier anlegen. Der Hafen von Havanna soll Kreuzfahrtschiffen überlassen bleiben. Finanziert wurde das Vorhaben durch einen Staatskredit Brasiliens.

Schweizer verdienen am Coke-Ersatz „tuKola“

Als erstes Projekt wurde 2015 in der Sonderwirtschaftszone von der mexikanischen Firma Richmeat eine Fleischfabrik errichtet. Es folgte ein brasilianisch-kubanisches Joint-Venture zur Zigarettenherstellung und die französische Baufirma Bouyges. Inzwischen wurden 31 Projekte aus 13 Staaten mit einem Investitionsvolumen von 1,1 Milliarden Dollar genehmigt. Wichtig für die kinderreichen Kubaner ist die Nachricht, daß die italienische Firma Arthis ab 2019 in Mariel bezahlbare Einwegwindeln für den kubanischen Markt produzieren will. Die Staatsfirma Coralsa und Nestlé errichten unter dem Namen Nescor für 54 Millionen Dollar eine Lebensmittelfabrik. Für die Schweizer, die schon seit 1908 auf der Insel aktiv sind, ist dies nicht ungewöhnlich. Nestlé-Produkte wie Maggi, Milchpulver und der Coke-Ersatz „tuKola“ sind in den Devisengeschäften für „Besserverdiener“ erhältlich.

Ab 2020 soll Nescor jährlich 18.500 Tonnen Lebensmittel wie Kaffeepulver und Kekse produzieren und so Importe im zweistelligen Millionenbereich einsparen. Ob die Rimco-Gruppe aber Caterpillar-Baumaschinen auf Kuba verkaufen darf, hängt von Washington ab.

Und trotz aller Erfolge spricht Wirtschaftsminister Ricardo Cabrisas Ruiz von einer „schwierigen finanziellen Situation“. Zudem sind wichtige Medikamente oft nicht erhältlich. Die aktuelle Versorgungskrise im Gesundheitswesen ist so groß, daß selbst das KP-Zentralorgan Granma darüber berichete. So erfuhren die Leser, daß Kuba zwar 63 Prozent der 803 zugelassenen Standardmedikamente selbst herstellen kann – allerdings nur, wenn es vorher gelingt, die dafür benötigten Stoffe zu importieren. Das scheitert aber nicht an Trumps Republikanern, sondern an fehlenden Devisen. Schon bei der Parlamentssitzung Anfang des Jahres wurden unglaubliche Logistikprobleme in der kubanischen Staatswirtschaft thematisiert. So berichtete eine Abgeordnete aus Güines (Provinz Mayabeque), daß 1.200 Liter Frischmilch mangels Transportmöglichkeiten nicht verarbeitet werden konnten. Und warum gab es keine Fruchtsäfte mehr in den Geschäften? Es fehlte schlicht das Verpackungsmaterial.

Längst ist die Suche nach ausländischen Investoren für Joint-Ventures in der Lebensmittelindustrie nicht mehr nur auf Mariel begrenzt. Gefördert werden sollen Investitionen in die Getränke-, Fleisch- und Milchproduktion – denn Aufstände und Unruhen würden das sichere Image Kubas ruinieren.

Sonderwirtschaftszone Desarrollo Mariel: www.zedmariel.com/en