© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

„Mit allen reden, die guten Willens sind“
Katholikentag: Laien und Theologen streiten über die Einladung des AfD-Politikers Volker Münz
Christian Vollradt

Die Debatte um die Teilnahme eines AfD-Vertreters beim Katholikentag im Mai reißt nicht ab. Auf dem Podium in Münster am 12. Mai soll auch der kirchenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Volker Münz, gemeinsam mit Vertretern der anderen im Bundestag vertretenen Parteien zum Thema „Nun sag’, wie hältst Du’s mit der Religion?“ diskutieren. Das paßt nicht allen. Nach dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) sowie der örtlichen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit haben in der Woche vor Ostern mehrere Theologen und Laien die Ausladung des AfD-Abgeordneten gefordert: „Die Einladung des AfD-Vertreters stellt eine Normalisierung einer menschenfeindlichen und haßerfüllten Politik dar“, heißt es in der sogenannten „Münsteraner Erklärung“. Das öffentliche Gespräch „mit einem Vertreter der AfD zu suchen suggeriert, daß es sich hier um eine legitime politische Position handelt“. 

„Nehme unsere normalen Mitglieder in Schutz“

Initiiert hat die Erklärung Philipp Geitzhaus, Mitarbeiter des Instituts für Theologie und Politik in Münster. Die spendenfinanzierte Einrichtung bezeichnet sich als „unabhängig, aber parteilich“. In der Selbstdarstellung heißt es, die „Befreiungstheologie ist unser Ansatzpunkt, um Gesellschaft zu begreifen, Herrschaftsverhältnisse in Frage zu stellen und solidarische Alternativen zu entwickeln.“ Themenschwerpunkte sind unter anderem „Kirchenasyl, Flucht und Migration“ sowie der „christlich-muslimische Dialog“. Außerdem beteiligte man sich an den „Protesten gegen die europäische Austeritätspolitik (‘Blockupy’)“. In einer aktuellen Neuerscheinung, herausgegeben von der Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kooperation mit dem Institut geht es um das „gemeinsame Erbe von Christen und Marx“. Denn Karl Marx’ Einsichten „waren und sind wichtige Voraussetzung von praktischer Kritik – gerade auch für ChristInnen“. Mitautor des Buches: Philipp Geitzhaus. Seine Mitstreiter und ihn ärgert es laut Münsterscher Zeitung vor allem, daß es seitens des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) bisher keinerlei Signal für eine Ausladung Münz’ gebe.  

Zuvor hatte bereits der BDKJ dessen Einladung zum Katholikentag in Münster scharf kritisiert. Man beziehe als Jugendverband deutlich Stellung gegen „Organisationen und Parteien, die rassistische und nationalistische Positionen vertreten sowie gegen eine pluralistische und vielfältige Gesellschaft reden und handeln“, so die BDKJ-Bundesvorsitzende Lisi Maier. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, verteidigte die Entscheidung, einen AfD-Vertreter zu der Podiumsdiskussion einzuladen, „Wir haben die kirchenpolitischen Sprecher aller Fraktionen im Bundestag eingeladen, dazu gehört nun leider auch die AfD“, sagte er der Neuen Westfälischen. Zugleich betonte der Chef der Laienvertretung, daß er einen Abgrenzungsbeschluß der katholischen Kirche zur AfD für sinnvoll hält. Die AfD vollziehe „eine Häutung zum Rechtsradikalismus, ihre Parolen erinnern zunehmend an den Nationalsozialismus“.

Diese Äußerungen sind es, die der offenbar unerwünschte oder lediglich geduldete Gast verwunderlich findet. „Diejenigen, die der AfD ständig angebliche Ausgrenzung vorwerfen, grenzen nun selber aus. Ich halte das Vorgehen für feige und unchristlich“, meinte Volker Münz im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Er habe mehrfach versucht, mit Sternberg ins Gespräch zu kommen, sei jedoch vom Vorsitzenden des ZdK ständig nur vertröstet worden, beklagte der kirchenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag. 

„Mein Credo lautet: Ich möchte mit allen, die guten Willens sind, reden. Auch oder gerade, wenn man unterschiedlicher Meinung ist“, betonte Münz. Verwerflicher findet der Abgeordnete, wenn man nur ständig übereinander redet, anstatt miteinander. Er sei gespannt auf die Diskussion beim Katholikentag. Dabei soll es auf dem Podium vor allem um die Frage gehen, wie der Glaube in die Politik einfließe.

Für Münz, der Mitglied im Kirchengemeinderat sowie in der evangelischen Bezirkssynode Göppingen (Württemberg) ist, sind das Engagement in der Kirche und das in der Politik „zwei Seiten einer Medaille“. Er sei in die Politik gegangen, um konservative Positionen zu stärken. „Denn wir brauchen Konstanten.“ Man könne aber nur konservativ sein, wenn man Grundlagen besitzt, die Bestand haben; dazu zähle ganz wesentlich das Christentum. „Ich halte es für abwegig zu sagen: ich bin konservativ, aber kein Christ“, bekräftigte Münz.

Er rechnet damit, daß ihm auf dem Katholikentag vor allem die Kritik der AfD an der Einwanderung und ihre Positionen zum Asylrecht vorgeworfen werden. „Unsere Kritiker sehen darin einen Verstoß gegen das Gebot der Nächstenliebe. Sie meinen, Nächstenliebe bedeute: Grenzen auf.“ Seiner Meinung nach lasse sich diese Forderung jedoch nicht aus der Bibel ableiten. Man müsse unterscheiden zwischen dem, was von uns als Christen persönlich verlangt werde und dem, was Aufgabe des Staates sei. „Für mich ist nach wie vor gültig, was die Barmer Theologische Erklärung besagt: der Staat hat in erster Linie Recht und Frieden zu garantieren.“

Für sein Engagement in der AfD bekomme er viel positive Rückmeldungen, versichert Münz. Gerade unter konservativen Christen gebe es viele, welche die AfD als ihre Stimme im im Bundestag betrachten. Dennoch ist dem Politiker bewußt, daß er auf dem Katholikentag vor allem Gegenwind bekommen wird. 

Sehr wahrscheinlich werde man ihm dann auch Äußerungen von AfD-Politikern wie André Poggenburg oder Björn Höcke vorhalten; Äußerungenen, die er  persönlich bedauere. „Aber bei Herrn Poggenburg wurden ja Konsequenzen gezogen, das war richtig!“ Und für viele Kritiker der Partei seien solche Vorfälle nur ein Vorwand, die gesamte AfD zu verdammen. „Ich möchte deutlich machen: das ist nicht die AfD, ich möchte unsere ganz normalen Mitglieder davor in Schutz nehmen.“ Es treffe ihn, „wenn mir wegen meines parteipolitischen Engagements das Christsein abgesprochen wird.“ Doch in seinem Amt als kirchenpolitischer Sprecher habe er bereits viele Kontakte und Gespräche mit Offiziellen beider großer Kirchen gehabt, die durchaus positiv verlaufen seien. „Wir haben immer eine Basis gefunden, selbst wenn wir unterschiedlicher Meinung waren.“ Wesentlich sei der Austausch der Argumente. „Das hat dann eine gewisse Nachdenklichkeit bewirkt, und so konnte ich auch Verständnis für meine Sicht der Dinge erreichen“, ist sich Münz sicher. Und diese Erfahrung habe ihn in seinem Entschluß bestärkt, auf den Katholikentag zu gehen. Auch wenn das schwierig werde.