© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/18 / 30. März 2018

Zeitschriftenkritik: Tumult
Im Wolkenkuckucksheim
Werner Olles

Das sich hierzulande „hyperaufgeklärt wähnende Juste milieu“ lebt nach Ansicht des Philosophen und Essayisten Horst G. Herrmann davon, „seit 1968 in seinen Gewißheiten nicht mehr behelligt worden zu sein“. Doch nach fünfzig Jahren stehe wieder einmal der Hegemon auf tönernen Füßen, schreibt er in seinem Beitrag „Links von den Talaren Muff von fünfzig Jahren“ in der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift Tumult. Er poche auf Moral und vernachlässige das Recht und die Anthropologie: „Allzeit empörungsbereit sitzt man im Wolkenkuckucksheim unveräußerlicher universaler Werte, als Büttel für eine Handvoll Global Players, denen nichts weltoffen, nichts entgrenzt, nichts bunt und divers genug sein kann.“ Die „Dialektik der Aufklärung“ habe man mitsamt den Verfassern Horkheimer und Adorno schneller entsorgt, als man denken konnte, „weil diese Männer und ihr Buch den Blick schärften für ‘mimetische Rivalen’ (René Girard), die aneinandergeheftet bleiben in ihren Mythologemen und Totalitarismen, in ihrem Willen zur Macht.“ So hätte beispielsweise die Ansage „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ auch im Sportpalast anno 1943 für Begeisterungsstürme gesorgt. Selten sei ein Diktum von Jürgen Habermas gegenüber den rebellierenden Studenten treffender gewesen als sein Vorwurf des „linken Faschismus“.

Mit der Frühjahrsausgabe 2018 feiert Tumult sein fünfjähriges Bestehen mit einer 128 Seiten starken Jubiläumsausgabe, deren Beiträge das herrschende System entlarven: „Intellektuell nicht satisfaktionsfähig und nur bedingt abwehrbereit“ (Horst G. Herrmann). So untersucht der Althistoriker Egon Flaig in „Macron und Goethe“ den Verlust der Geschichte und die Notwendigkeit kultureller Rückbesinnung. Zu leugnen, daß es nationalkulturelle Besonderheiten gibt, dazu sei nur imstande, „wer entweder bar aller Bildung ist oder aber sich fanatisch ideologisiert“. Dies unterscheide den französischen Präsidenten Macron, der wie andere westeuropäische Politiker den Bezug zur kulturellen Vergangenheit des Abendlandes kappe, von der sozialdemokratischen Integrationsbeauftragten Aydan Özoguz, die behauptete, es gebe keine spezifische deutsche Kultur. Dennoch sei die „bildungslose Barbarin“ weniger bedrohlich als ein Intellektueller, der sein philosophisches Diplom mit einer Arbeit über Hegel erwarb, aber die Existenz der französischen Kultur dementiere im Namen „jener globalistischen Ideologie, welche die Menschen reduziert auf ihre bloße Eigenschaft, Arbeitskräfte zu sein“. Flaig spricht in diesem Kontext von „eindimensionalen Wesen ohne kulturelle Imprägnierung, die sich rein ökonomisch motiviert über den Planeten ebenso ungehindert bewegen wie Kapitalströme“. 

Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der „Wiederkehr der Romantik“ (Michael Böhm), dem „Neoliberalismus in Peru“ (Carlos Eduardo Pérez Crespo), dem „Ende der konservativen Bewegung“ (Paul E. Gottfried) und „Schwarz und Weiß in den USA“ (Eva C. Schweitzer).

Kontakt: Frank Böckelmann, Nürnberger Str. 32, 01187 Dresden. Das Einzelheft kostet 10 Euro, das Jahresabo 40 Euro. 

 www.tumult-magazine.net