© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/18 / 30. März 2018

Brüssel bleibt stur
Kindergeld: Die Zahlungen aus Deutschland an im Ausland lebende Empfänger sind laut Bundesregierung stark gestiegen / EU sperrt sich gegen Änderungen
Lukas Steinwandter / Christian Vollradt

Die Debatte um deutsche Kindergeld-Zahlungen für im Ausland lebende Kinder (JF 10/18) hat neue Nahrung bekommen. Hintergrund sind neue Zahlen der Bundesregierung. Demnach haben sich die Überweisungen der Bundesagentur für Arbeit auf Konten ins Ausland seit 2010 fast verzehnfacht. Der Betrag stieg von 35,8 Millionen auf rund 343 Millionen Euro im vergangenen Jahr, wie aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten René Springer (AfD) hervorgeht, die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. 

Im Dezember 2010 hatte die Bundesagentur demnach für 61.615 ausländische Kinder, die nicht in Deutschland leben, Kindergeld gezahlt. Sieben Jahre später waren es 215.499 Kinder. Die meisten davon wohnten in Polen (103.000), Kroatien und Rumänien (jeweils 17.000). Überdies erhielten die Eltern von rund 34.000 im Ausland lebenden deutschen Kindern die Gelder.

In ihrer Antwort auf eine frühere Anfrage Springers hatte sich die Bundesregierung bezüglich konkreter Details noch weitgehend ahnungslos gegeben. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit weise lediglich Zahlungen aus, die auf ausländische Konten erfolgten – ohne Differenzierung nach einzelnen Ländern. Es werde keine Unterteilung nach einzelnen EU-Staaten gemacht.

Nach geltendem Recht haben EU-Ausländer für die Dauer ihres Arbeitsaufenthalts in Deutschland Anspruch auf Kindergeld – aktuell zwischen 194 und 225 Euro im Monat pro Kind –, auch wenn sich ihre Kinder in einem anderen Land aufhalten. AfD-Sozialpolitiker Springer forderte, diese Zahlungen zu kürzen oder einzustellen: „In Deutschland leben immer mehr Kinder unterhalb der Armutsgrenze, während die Bundesregierung jährlich Hunderte Millionen Euro für ausländische Kinder ins Ausland überweist. Damit muß endlich Schluß sein. Es ist den deutschen Steuerzahlern nicht vermittelbar, warum sie beispielsweise für bulgarische Kinder, die in Bulgarien leben, Monat für Monat Kindergeld überweisen müssen.“ Die Bundesregierung schaffe es nicht einmal, das Kindergeld für ausländische Kinder im Ausland an die entsprechenden Lebenshaltungskosten in den Heimatländern anzupassen. Schon das würde die Steuerzahler deutlich entlasten. Berlin lasse sich „auf Kosten der Steuerzahler an der Nase herumführen“, kritisierte Springer.

Der frühere Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte vor rund einem Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach das Kindergeld für EU-Ausländer an das Niveau des Heimatlandes angepaßt werden sollte, falls ihre Kinder dort leben. Die EU-Kommission lehnte dies allerdings ab.

Die Bundesregierung hält an einer neuen Regelung fest, doch auch diese neuen Pläne stoßen bei der zuständigen EU-Kommissarin Marianne Thyssen auf Ablehnung: Es gehe um Menschen, „die arbeiten und die gleichen Beiträge und Steuern zahlen wie alle anderen“. Es gebe keinen Grund, warum sie weniger erhalten als jeder andere. „Das sind die Regeln der Fairneß, die wir alle in Europa vereinbart haben.“ 

Anpassung ist „angebracht und notwendig“

Denn sonst müßten auch die in Spanien lebenden deutschen Rentner eine niedrigere Rente erhalten. Thyssen: „Es gibt keine Kinder oder Rentner zweiter Klasse. Für die gleichen Beiträge und Steuern sollte man dieselben Leistungen erhalten“, so Thyssen gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. 

Für den stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Carsten Linnemann, ist dies jedoch ein „schiefer Vergleich“. Das Kindergeld sei schließlich „faktisch eine Sozialleistung, die gesetzliche Rente dagegen eine Versicherungsleistung, die durch eigene Beitragszahlung begründet wird“, stellte der CDU-Politiker gegenüber der FAZ klar. 

Daher müsse die Höhe der Rentenzahlung selbstverständlich unabhängig vom Wohnort des Rentners sein. Beim Kindergeld sei dagegen eine Anpassung an die Lebenshaltungskosten des Lebensmittelpunkts durchaus „angebracht und notwendig“. Alles andere sei in Deutschland nur schwer vermittelbar. 

Hauptursache für die gestiegenen Zahlen beim Kindergeld ins Ausland ist laut Bundesagentur die gestiegene Zahl von Beschäftigten EU-Ausländern hierzulande. Seit Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit habe sich allein die Zahl der Beschäftigten aus Rumänien und Bulgarien um 370.000 auf 455.000 erhöht.