© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/18 / 23. März 2018

Die Branche soll bald wieder richtig ticken
Uhrenmesse Baselworld: Die bekannten Luxusmarken glauben an den Aufschwung / Hommage-Uhr an Helmut Sinn ist schon ausverkauft
Michael Brückner

An diesem Donnerstag beginnt die weltgrößte Uhren- und Schmuckmesse Baselworld. Zu diesem Anlaß sollte ein Chronograph zu Ehren der deutschen Piloten- und Uhrenlegende Helmut Sinn vorgestellt werden. Doch die deutsche Unternehmerlegende (JF 36/16) starb am 14. Februar im Alter von 101 Jahren. Was bleibt, ist Sinns Ruf als Hersteller der authentischsten Fliegeruhren und eine „Hommage-Uhr“, die schon nach ein paar Tagen komplett ausverkauft war.

Eidgenössische Herstellung zieht an

Regelmäßigen Besuchern der Baselworld fiel es schon im vergangenen Jahr auf: Vor allem dort, wo die eher preiswerteren Marken vertreten waren, herrschte eine Leere wie in den Fußgängerzonen einer Kleinstadt nach Ladenschluß. Nur dort, wo die bekanntesten Luxusmarken in ihren teuren Pavillons ihre neuesten Modelle ausstellten, waren die Uhrenliebhaber und Industriespione mit gezückten Smartphones unterwegs, um Fotos von den tickenden Objekten ihrer Begierde zu schießen.

Wenn die Basler Messe nun eröffnet wird, könnte es in manchen Hallen noch leerer werden. Im vergangenen Jahr hatten nach offiziellen Angaben 1.300 Aussteller teilgenommen, in diesem Jahr dürfte es nur noch die Hälfte sein. Die Baselworld ist damit so etwas wie ein Spätindikator für die Krise, in der die erfolgsverwöhnte Luxus-Uhrenbranche schon seit 2016 steckt. Der zwar nur vorübergehende, dafür aber um so markantere Einbruch der Nachfrage aus China (Erhöhung der Luxussteuer 2016), die Eurokrise sowie die Konkurrenz, die den klassischen mechanischen Uhren durch die elektronischen Armbanduhren (Apple Watch & Co.) erwächst, machten der Branche zu schaffen. Hinzu kamen hausgemachte Probleme: Die namhaften Hersteller glaubten, ihre Preise deutlich erhöhen zu können. Zudem neige die Uhrenindustrie dazu, selbstzufrieden zu sein und sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, kritisiert Stéphane Waser, Chef der Uhrenmarke Maurice Lacroix.

Dennoch gibt es Hinweise, daß der Einbruch bald überwunden sein könnte. Nach Angaben des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH) stiegen die Ausfuhren von Nobeltickern aus eidgenössischer Herstellung im Januar um 12,6 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres. Auch das China-Geschäft kommt wieder auf Touren. Branchenkenner Jean-Claude Biver, Chef der Uhrensparte beim französischen Luxuskonzern LVMH, rechnet für die Schweizer Uhrenindustrie in diesem Jahr mit einem Wachstum zwischen fünf und sieben Prozent.

Das deutsche Uhrenmekka ist das sächsische Glashütte

Eine in aufwendiger Handarbeit entstandene mechanische Uhr mit technischen Extras (den sogenannten Komplikationen) ist neben ihrer Funktion als Zeitmesser eben nach wie vor ein geschätztes modisches Accessoir für den Mann und – zumindest bei einigen Modellen großer Marken – eine Form der alternativen Geldanlage, über die sich noch die Erben freuen dürften. Die Branche ist derweil dabei, vergraulte Kunden wieder zurückzugewinnen, indem selbst bekannte Marken mit preisgünstigeren Einstiegsmodellen werben. Auch die völlig ausgeflippten Designs, die traditionelle Uhrenfreunde irritieren, werden bei manchen Marken von einer zeitgemäßen Interpretation des Retro-Designs in den Hintergrund gedrängt.

Die großen Uhrenmarken waren zuletzt nur noch in der Schweiz oder im Erzgebirgsstädtchen Glashütte (A. Lange & Söhne, Nautische Instrumente Mühle, Nomos, Glashütte Original/Swatch Group) zu Hause. Das stimmt nur noch bedingt. Durch Neugründungen und die Konsolidierung der Traditionsmarke Junghans erlebt auch der Schwarzwald eine Renaissance als Uhrmacherregion.

Die Marke Sinn Spezialuhren aus der Finanzmetropole Frankfurt am Main wiederum führt nach wie vor den Namen der deutschen Uhren- und Pilotenlegende Helmut Sinn. Der „schnelle Helmut“, wie er von seinen Freunden genannt wurde, hatte sich trotz seiner Affinität zu den Uhren vor allem der Fliegerei verschrieben, auch wenn dies nicht immer ungefährlich war. Als Pilot einer Aufklärungsmaschine wurde er im Zweiten Weltkrieg abgeschossen, konnte seine Maschine jedoch noch in ein Waldgebiet steuern, um die Wucht des Aufpralls zu mindern. „Das hat mir das Leben gerettet, sonst gäbe es heute keine Sinn-Uhren“, erzählte der überzeugte Frankfurter mit der für ihn typischen Vorliebe für etwas schwarzen Humor. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Helmut Sinn vor allem als Fluglehrer tätig, unter anderem auf der legendären JU 52.

Später entwickelte Sinn Flugzeugborduhren, zum Beispiel für den Alphajet, den Starfighter und den Hubschrauber Bell UH-1D. Seine 1961 gegründete Firma Helmut Sinn Spezialuhren verkaufte er 1994 an den ehemaligen IWC-Ingenieur Lothar Schmidt. Als „Deutschlands ältester Jungunternehmer“ übernahm Helmut Sinn daraufhin die Schweizer Firma Guinand Watch, von der er sich später aus Altergründen trennte. Der neue Eigentümer wollte zur Baselworld 2018 den Chronographen J41-HS 102 präsentieren – als Uhr zum 102. Geburtstag von Sinn. Dazu sollte es nicht mehr kommen. Der auf 102 Stück limitierte Zeitmesser ist längst ausverkauft.

Die Weltmesse für Uhren und Schmuck läuft  vom 22. bis 27 März auf der Messe Basel:  www.baselworld.com

Guinand GmbH Frankfurt am Main: www.guinand-uhren.de