© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/18 / 23. März 2018

Wo die GroKo wirklich groß ist
Schwarz-Rot: Das Kabinett ist mit gutdotierten Posten so aufgebläht wie nie
Paul Rosen

Die neue Große Koalition startet mit einem Rekord: Noch nie gab es so viele „Parlamentarische Staatssekretäre“ wie im Kabinett Merkel IV. 35 statt bisher 33 dieser „Hilfsminister“ sind jetzt im Kanzleramt und den verschiedenen Ministerien zu finden. Nur einmal in der Geschichte der Bundesrepublik, direkt nach der Wiedervereinigung, brauchte Helmut Kohl auch 33 dieser Ämter, um verdiente und neue Politiker unterzubringen. 

Sachlich zu begründen ist die Institution des Parlamentarischen Staatssekretärs nicht. Im Unterschied zum regulären Staatssekretär, der als politischer Beamter allein oder mit einem, höchstens zwei Kollegen ein Ministerium fachlich und personell leitet und in der Rangordnung direkt unter dem Minister steht, sind Parlamentarische Staatssekretäre nicht in die Hierarchie eingebunden. Über ihnen steht der Minister. Unter ihnen steht – nichts. Parlamentarische Staatssekretäre leiten keine Ministeriumsabteilung oder Unterabteilung, sondern sind lediglich das, was man in Bayern einen „Grüß-Gott-August“ zu nennen pflegt: Sie haben einen wichtig klingenden Titel (im Kanzleramt und im Außenamt heißen sie sogar Staatsminister), zu sagen haben sie nichts. Die CSU, die ihre Staatsministerin Dorothee Bär als „Digitalministerin“ zu verkaufen versucht, erzeugt eine Fata Morgana: Es gibt kein Digitalministerium.  

Parlamentarische Staatssekretäre nehmen repräsentative Termine wahr und entlasten damit den Minister. In den Bundestagsausschüssen tragen sie die Regierungsposition vor, indem sie einen vom Ministerium vorgefertigten Text verlesen. Sobald schwierige Nachfragen kommen, übernimmt ein neben ihnen sitzender Ministeriumsbeamter. „Sie nehmen uns die Arbeit ab, die wir ohne sie nicht hätten“, wurde ein beamteter Staatssekretär aus Bonner Zeiten oft zitiert. Dafür verwischen sie als in Ministerien stationierte Abgeordnete die verfassungsrechtlich gebotene Trennung von Legislative und Exekutive – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. 

Und sie kosten einen Haufen Geld. Parlamentarische Staatssekretäre bekommen neben ihrem Gehalt von 12.000 Euro im Monat außerdem die um 50 Prozent gekürzte Abgeordnetendiät (fast 5.000 Euro) sowie eine steuerfreie Kostenpauschale von 3.000 Euro. Das macht ein Monatseinkommen von über 20.000 Euro. Hinzu kommen Pensionsansprüche. Außerdem steht den „Parlamentarischen“ ein Büro mit Vorzimmer und Sekretärinnen, ein Persönlicher Referent sowie ein ständiger Dienstwagen mit Fahrer zur Verfügung.  

Posten als Lehen für verdiente Abgeordnete

„Wir haben den größten und teuersten Bundestag, wir haben die längste Regierungsbildung hinter uns, wir haben einen Koalitionsvertrag mit Rekord-Ausgaben – und nun sollen die Bürger auch noch den größten Stab an Parlamentarischen Staatssekretären aller Zeiten finanzieren“, beklagte Reiner Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahler. Die Organisation beziffert die jährlichen Kosten von Büro und Fahrer mit Auto auf 300.000 Euro pro Staatssekretär. 

Mit ihrer üppigen Ausstattung sind Parlamentarische Staatssekretäre im Wettbewerb mit anderen Abgeordneten und Gegenkandidaten im Wahlkreis und in der jeweiligen Partei unschlagbar. Da sie wie Minister als ständig im Dienst befindlich gelten, können sie sich zu Parteiveranstaltungen kutschieren lassen, während der Fahrten telefonieren und Unterlagen studieren – oder sich einfach ausruhen. Dagegen müssen Konkurrenten selbst am Steuer sitzen oder sind auf unzuverlässige Verkehrsmittel angewiesen. 

Als das Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs in der ersten Großen Koalition 1966 begründet wurde, sollten dafür junge Politiker ausgewählt werden, um ministrabel zu werden. In Wirklichkeit entwickelte sich das Amt schnell zum Lehen für verdiente Abgeordnete, die damit Gehaltshöhen erreichten, die sie in der freien Wirtschaft nie bekommen hätten. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, auch wenn etwa Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) früher Parlamentarische Staatssekretäre waren. 

Die fehlenden Durchgriffsmöglichkeiten im Ministerium dürfte auch Marco Wanderwitz (CDU) bald kennenlernen, der die Riege der Parlamentarischen Staatssekretäre im Innenministerium bereichert. Dort ist auf Wunsch von CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer (CSU) der neu geschaffene Bereich Bau und Heimat angesiedelt. Bau und Heimat sind die Themengebiete von Wanderwitz. Dafür werden im Innenministerium 98 neue Stellen geschaffen, deren Inhabern Wanderwitz aber keine Weisungen erteilen darf. Zu spüren bekommen werden die Bürger die Folgen der Personalaufblähung, die zusammen mit einem neuen „Vizekanzleramt“ im Finanzministerium von Olaf Scholz (SPD) 209 gutdotierte Stellen ausmacht, auf jeden Fall: Die neuen Regierungsposten werden durch Stelleneinsparungen bei Bundespolizei und Zoll, die für Sicherheit an den Grenzen zuständig sind, finanziert. Und selbst das könnte sich als Etikettenschwindel herausstellen. Denn bei den gestrichenen soll es sich ersten Meldungen zufolge um derzeit überhaupt nicht besetzte Stellen handeln.

„Damit sind wir alles andere als glücklich“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Peter Boehringer, der JUNGEN FREIHEIT. „Skandalös“ seien diese Personalzuwächse, und er empört sich vor allem über die 41 neuen Stellen beim Bundesfinanzministerium, die als Organisationseinheit dem Vizekanzler zugeordnet werden. Im Gegenzug müßten die ja dann im Auswärtigen Amt – bisher das Ressort des vormaligen Vizekanzlers Sigmar Gabriel (SPD) – wegfallen. Davon ist allerdings nicht die Rede. Zumal der Vizekanzler kein dauerhafter Posten ist. Er wird nur gebraucht, wenn Merkel verhindert ist; und dann stünde Scholz selbstverständlich das Kanzleramt für entsprechende Amtsgeschäfte zur Verfügung.