© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

Frisch gepresst

Eurasien. „Entlang den Gräben“? Oder doch eher „Entlang der Gräben“? Navid Kermani und sein Verlag nehmen das nicht so genau. Genauer nimmt es der in Siegen geborene Schriftsteller, der zugleich habilitierter Orientalist und Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ist, mit der politischen Farbenlehre. So quälten ihn „so viele Sorgen und Befürchtungen“, wenn er an Europa denke. Wirklich froh wäre er nur, wenn „wir diese Welle des Populismus und des Nationalismus überstehen“, gestand er dem Deutschlandfunk. Ein Grund, dies zu verlassen und eine Reise durch das östliche Europa bis zum persischen Isfahan zu machen? Gute Idee. Vom „osteuropäischen“ Schwerin ausgehend, wo ihm ausgerechnet der AfD-Politiker Andreas Kalbitz über den Weg läuft, der, „sorry, meine linken Freunde, das schreiben zu müssen – kein bißchen aggressiv“ sei, über Breslau, Auschwitz, Kiew, Grosny erreicht er am 53. Tag Isfahan. Dort, vor der imposanten Lotfollah-Moschee, belügt er einen französischen Touristen. Er komme öfter hierher, wenn er die Gegenwart nicht mehr aushalte, schwindelt Kermani. Man kann nur hoffen, daß es der einzige Schwindel auf der interessant beschriebenen Reise war. (ctw)

Navid Kermani: Entlang den Gräben. Eine Reise durch das östliche Europa bis nach Isfahan. Verlag C.H. Beck, München 2018, gebunden, 442 Seiten, 24,95 Euro





Konservativ. Deutschland bekommt endlich ein „Handbuch über die tiefen Kraftquellen des Konservativseins“, ein „geistiges Kompendium der neuen Bürgerlichkeit“. So bewirbt der Verlag das „Konservative Manifest“ des Publizisten Wolfram Weimer. Aber das kompendiöse Handbuch ist lediglich ein Taschenbuch von gerade einmal 100 Seiten. Und die zehn Gebote, die Weimer der „neuen“ Bürgerlichkeit vorschreibt, sind die alten, mit denen das deutsche und das europäische Bürgertum in den letzten Jahrhunderten recht stabile Gemeinwesen aufgebaut haben. Warum deren Familie, Heimat, Tradition, Religion, Recht und Ordnung umfassender Tugendkatalog als bürgerliches Erfolgsmodell im 21. Jahrhundert nun aber zur Disposition seitens neoliberaler Eliten steht, dazu ist von Weimer nichts zu hören. Die bloße Neuauflage samt Beschwörung alter „Gebote“ ist gegen die entfesselte Gewalt der globalisierten Finanzindustrie jedenfalls nicht mehr als ein Blatt im Wind. (dg)

Wolfram Weimer: Das konservative Manifest. Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit, Plassen Verlag, Kulmbach 2018, 104 Seiten, 9,99 Euro