© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

Frisch gepresst

Carl Schmitt. 2003 gab Ernst Hüsmert den ersten, die Jahre von 1912 bis Anfang 1915 umfassenden Band der Tagebücher Carl Schmitts heraus. Fünfzehn Jahre später legt Gerd Giesler nun den fünften und letzten Band des monumentalen, jetzt 3.000 Seiten umfassenden Unternehmens vor. Er füllt die zwischen 1912 und 1934 verbliebene Lücke, die Jahre 1925 bis 1929. Wieder muß sich der Leser durch den Wust ermüdender Notate zu akkurat protokollierten Erektionen und Ejakulationen kämpfen, die den so honorig wirkenden Herrn Ordinarius als gehörig aus dem bürgerlichen Rahmen fallenden Spielball seiner sexuellen Obsessionen ausweisen. Der zentrale Begriff seines staatsrechtlichen Werks, Souveränität, galt für ihn persönlich gerade nicht, wie Mitherausgeber Martin Tielke leicht maliziös anmerkt. Hoffnungslos sei dieser labile Charakter seinen Süchten ausgeliefert gewesen. Gleichwohl bietet auch dieser Band weit mehr als nun schon überbordendes Diagnosefutter über einen im permanenten Ausnahmezustand lebenden Neurotiker des manisch-depressiven Typus. Tielkes kluge Einleitung sollte daher lesen, wer sich nicht im Privatkram eines Mannes verirren möchte, den die Freundin Corina Sombart als großen Geist im kleinen Menschen wahrnahm. (dg)

Martin Tielke, Gerd Giesler (Hrsg.): Carl Schmitt. Tagebücher 1925–1929, Verlag Duncker & Humblot Berlin 2018, gebunden, 545 Seiten, Abbildungen, 79,90 Euro





Spanische Grippe. Die Pandemie, die vor hundert Jahren Abermillionen Menschen in der kriegsgeschüttelten Welt das Leben kostete, erreichte Europa vermutlich mit den Truppentransportern der US-Boys, die im Frühjahr in Frankreich anlandeten. Als „historischen Irrtum in Stein gemeißelt“ hebt auch die britische Wissenschaftsjournalistin Laura Spinney die Namensgebung dieser Seuche hervor: Denn nur wegen der fehlenden Zensur im neutralen Spanien konnte dort über die Krankheit berichtet werden, deren Auftreten schon Wochen zuvor im Süden der USA nachweisbar ist. In ihrer Opferschätzung (bis 100 Millionen) tendiert Spinney in ihrem munteren und episodenreichen Stück Gesellschaftsgeschichte ebenso wie im „fieberhaften“ Duktus und den Wertungen gern dazu, „eine Schippe mehr“ draufzupacken, was – wie nicht selten in der angelsächsischen Sachbuchliteratur – dem Lesevergnügen nicht per se abträglich sein muß. (bä)

Laura Spinney: 1918. Die Welt im Fieber. Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte. Carl Hanser Verlag, München 2018, gebunden, 378 Seiten, 26 Euro