© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

Und sie bewegt sich doch
AfD: Der wegen seiner Aschermittwochsrede unter Beschuß geratene André Poggenburg tritt zurück
Christian Vollradt

Daß die AfD mit dem Abschluß der Regierungsbildung von Union und SPD nun auch offiziell Oppositionsführer ist (obwohl es dieses „Amt“ eigentlich gar nicht gibt), ließ sich schon äußerlich ablesen. Die Pressekonferenz von Partei- und Fraktionsspitze am Montag war wesentlich besser besucht als die von Grünen, FDP und Linkspartei. Jörg Meuthen und Alexander Gauland saßen vor vollen Reihen in der Bundespressekonferenz, was sicherlich nur in Teilen der Tatsache geschuldet war, daß ihr Termin unmittelbar vor dem Angela Merkels mit Horst Seehofer und Olaf Scholz lag. 

Während Parteichef Meuthen eine „bleierne Zeit“ prognostizierte und im Koalitionsvertrag jegliche Leitidee vermißte, betonte sein Co-Vorsitzender Gauland die Stärke der AfD: Sie führe dazu, daß sich die Parteien der Großen Koalition bewegen würden; zwar „millimeterweise“, aber immerhin. Auch in der CDU habe sich nicht zuletzt auf Druck ihrer eigenen Basis die Einsicht durchgesetzt, daß es so nicht weitergeht. 

Ein ähnlicher Gedanke leitete unterdessen offenbar auch die AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt. Am vergangenen Donnerstag machte die Meldung vom Rückzug des Landes- und Fraktionsvorsitzenden André Poggenburg die Runde, die kurz darauf offiziell bestätigt wurde. Der 42jährige werde zum Ende dieses Monats seinen Posten an der Spitze der Fraktion aufgeben und in diesem Zusammenhang auch von seinem Amt als Landesvorsitzender zurücktreten. Er begründete seine Entscheidung damit, auf diese Weise „Druck von Fraktion und Partei“ nehmen zu können. 

In ihrer Stellungnahme widersprach die Fraktion Medienberichten, wonach es innerhalb der Fraktion einen Abwahlantrag gegeben und Poggenburg in einer geheimen Vertrauensabstimmung der Fraktion Ende Februar 17 Gegenstimmen erhalten habe. Der Fraktionsvorstand mißbilligte in seiner Erklärung diese „grob falsche und unsachliche mediale Berichterstattung“. Nicht zum ersten Mal hätten Abgeordnete unautorisierte und verfälschte Äußerungen über Fraktionsinterna an die Presse gegeben. 

Doch daß Poggenburg seine Posten freiwillig geräumt haben soll, sei Teil einer Legendenbildung, heißt es aus Kreisen der Fraktion in Magdeburg. Zwar habe es keinen formalen Abwahlantrag, sehr wohl jedoch eine Abstimmung gegeben. Und bei ihr stimmten von insgesamt 22 Beteiligten 17 gegen den Fraktionsvorsitzenden, zwei enthielten sich. Dieses Ergebnis war parteiintern schon länger bekannt. Wer dies nicht als klare Aufforderung zum Rücktritt erkenne, habe ein Problem, meinte ein Abgeordneter im Gespräch mit der JF.  

Irritationen um Reise von Abgeordneten nach Syrien

Aus den Kreisverbänden habe es massive Kritik an der Rede Poggenburgs bei einer AfD-Veranstaltung am Aschermittwoch in Sachsen gegeben (JF 9/18). Nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT wurde er dafür sogar von seiten des „Flügels“ der AfD gerüffelt. Auch sei sein Rückhalt in der sachsen-anhaltinischen Landesgruppe im Bundestag geschwunden. Der Bundesvorstand hatte ohne Gegenstimme Poggenburg eine Abmahnung ausgesprochen. 

Der Eindruck, die vielfach kritisierte Rede sei eher Anlaß, nicht aber Hauptursache für den erzwungenen Abgang Poggenburgs gewesen, verstärkt sich in Gesprächen mit AfD-Politikern. Die Abstimmungsniederlage sei die „Quittung für seine Arbeit“ meint einer. Vor allem die Arbeitsstruktur der Fraktion habe immer wieder intern für Ärger gesorgt. Moniert wurde unter anderem die fehlende inhaltliche Arbeit in einigen Ausschüssen. Deswegen wurden im Zuge der personellen Änderungen auch einige Posten der fachpolitischen Sprecher neu besetzt. Poggenburg verlor die Zuständigkeit für Landwirtschaft. Seine Ankündigung, er wolle weiterhin gerne im Vorstand der Landtagsfraktion mitarbeiten, begreifen seine Kritiker dort jedoch eher als Drohung. 

Es heißt, Poggenburg versuche eine Satzungsänderung durchzudrücken, wonach es künftig drei gleichberechtigte stellvertretende Vorsitzende geben soll. Als Nachfolger Poggenburgs an der Spitze der Fraktion wird sein bisheriger Stellvertreter Oliver Kirchner gehandelt. Das Amt des Landesvorsitzenden soll bis zu den regulären nächsten Vorstandswahlen im Mai Ronny Kumpf übernehmen. 

Für eine gewisse Unruhe sorgte in der vergangenen Woche auch die Reise einer Gruppe von Landtags- und Bundestagsabgeordneten der AfD nach Syrien unter Leitung des nordrhein-westfälischen Landtagsmitglieds Christian Blex. Ausgwiesene Außenpolitiker waren nicht dabei. Mit Bildern und Texten in sozialen Netwerken wollte die Delegation aufzeigen, daß große Teile Syriens mittlerweile sicher seien und Flüchtlinge dorthin zurückkehren könnten. Auf dem Programm standen dabei unter anderem Besuche in Damaskus, Aleppo und Homs sowie Treffen mit Vertretern des Assad-Regimes und Großmufti Ahmad Badr al-Din Hassun. 

Auf Anfrage der jungen freiheit hieß es nach der Rückkehr aus Teilnehmerkreisen, man wolle sich zunächst über Ergebnisse sowie Eindrücke der Reise nicht äußern. Eine zwischenzeitlich ins Gespräch gebrachte Pressekonferenz stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.

Im Bundesvorstand, in dem einige das Vorhaben äußerst kritisch bewerteten,  gab es wie auch seitens der Fraktionsspitze wenig Neigung, sich quasi schützend vor die Teilnehmer der Syrien-Exkursion zu stellen. Denn, so war zu vernehmen: Erstens war dies als privater Trip annonciert worden – und somit sei es eben von den Teilnehmern eigenständig zu rechtfertigen. Zweitens habe sich bereits im Vorfeld und unabhängig davon eine Mehrheit der Fraktionsmitglieder unter Verweis auf ihren Status als freie Abgeordnete geweigert, eine Übereinkunft zu unterzeichnen, mit der Reisen und Auslandskontakte auf eigene Faust verhindert werden sollten. Parteichef Meuthen sagte der jungen freiheit unterdessen, er halte die Reise „für grundsätzlich richtig, um sich vor Ort ein Bild zu machen“. Während des Aufenthalts wäre „eine etwas zurückhaltendere Kommunikation empfehlenswert gewesen“.