© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/18 / 09. März 2018

Umwelt
Lukrative Grenzwerte
Jörg Fischer

Was haben Kettensägen, Mofas und der Trabant gemeinsam? Sie sind bei Unfällen gefährlich, und die knatternden Zweitaktmotoren verpesten die Atemluft. Doch anders als in Asien sind ihre Emissionen deutschlandweit so gering, daß nur Grüne, EU-Bürokraten und Anbieter von Elektroalternativen einen Bann fordern. Zweitakter haben zudem Vorteile: Sie sind leicht und beim Ausstoß an Stickstoffdioxid (NO2) unterbieten sie in der Realität moderne Diesel. Denn deren Abgasreinigung funktioniert bei unter zehn Grad oder bei hochsommerlichen Temperaturen („Thermofenster“) nur eingeschränkt. Messerschmitt Kabinenroller sind angesichts ihres ansonsten giftiges Abgascocktails dennoch keine Alternative. Und der Umstieg auf elektrifizierte Isettas würde die Zahl der Unfalltoten wieder steigen lassen.

Läge der Grenzwert bei 80, hätten allenfalls München und Stuttgart ein Dieselproblem.

Das ätzende Reizgas NO2 schädigt die Atemwege, das ist Fakt – strittig ist die Dosis. Sind es wirklich 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, wie einige epidemiologische Studien behaupten? Den Grenzwert in Innenstädten auf die nur bedingt vergleichbaren 950 Mikrogramm – die „Maximale Arbeitsplatz-Konzentration“ in Deutschland – zu erhöhen, fordern nicht einmal eiskalte FDP-Manchesterkapitalisten – Asthmatiker, Kinder und Senioren können insofern aufatmen. Den derzeitigen Grenzwert von 40 Mikrogramm aber dazu zu nutzen, um Millionen private Diesel-Pkw aus zig Innenstädten zu verbannen, läßt sich nicht medizinisch, sondern nur ökonomisch erklären. Läge der Grenzwert bei 80 hätten allenfalls München und Stuttgart ein NO2-Problem – aber die Autohersteller ein Neuverkaufsproblem. Sobald jedoch genügend Dieselfahrer auf Direkteinspritzer-Benziner umgestiegen sind, wird plötzlich deren unbestreitbares Feinstaubproblem juristisch entdeckt – spätestens dann, wenn Audi, BMW, Daimler und VW ihre neuen Ottopartikelfilter (GPF) flottenweit anbieten können.