© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/18 / 09. März 2018

Betörende Klänge aus dem Brombeerschloß
Volksoper: Das Theater Rudolstadt zeigt in Saalfeld den Zarzuela-Klassiker „Luisa Fernanda“
Sebastian Hennig

Das Theater Nordhausen brachte bereits im Herbst 2016 die deutschsprachige Erstaufführung der Zarzuela „Luisa Fernanda“ von Federico Moreno Torroba. Nun folgte die Premiere im Meininger Hof in Saalfeld mit den Thüringer Symphonikern Rudolstadt-Saalfeld unter der musikalischen Leitung von Oliver Weder.

Zarzuela nennt sich die unnachahmliche Spielart der spanischen Volks-

oper. Ihr Ursprung verweist namentlich zu den höfischen Lustbarkeiten unter Philipp IV., dessen schlicht-elegantes Palacio de la Zarzuela vormals von Brombeerbüschen (spanisch „zarzal“) eingeschlossen war. Nachdem dieses genuin spanische Musikdramolett in der Epoche der Vorherrschaft der Rossini und Spontini daselbst in den Hintergrund gerückt war, lebte es ab Mitte des 19. Jahrhunderts wieder auf. Die hohe Zeit der Zarzuela währte bis in die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts.

Torrobas „Luisa Fernanda“ wurde im März 1932 im Teatro Calderón in Madrid uraufgeführt. Es handelt sich also um ein Repertoire, das zeitgleich zu den Opern Puccinis entstanden ist. In diesem Zusammenhang kann es sich auch heute noch gut behaupten. Mit seiner kindlich-urgesunden Handhabung der Liebeshändel hebt es sich zudem wohltuend von dem willkürlichen Intrigengespinst des Verismo ab. Ein eigenes Teatro de la Zarzuela eröffnete 1856 in Madrid. Auch Regisseur Alfonso Romero Mora, sein Bühnenbildner Ricardo Sánchez Cuerda und seine Kostümbildnerin Gabriela Salaverri sind Madrilenen. Vom Bühnenbild werden in Saalfeld nur Rudimente präsentiert. Das Stammhaus in Rudolstadt wird gerade grundlegend saniert. Währenddessen müssen die Aufführungen des Musiktheaters halbszenisch im Meininger Hof stattfinden. Das Lokal wird bereits seit den zwanziger Jahren vom Landestheater bespielt.

Anspielung auf die Ausrufung der Republik

Wir vernehmen einen durchgehenden Klangteppich, an dem sich fortlaufend neue Figuren anweben, in Farbe und Muster ähnlich, doch in unerschöpflichem Variantenreichtum. Die zierliche Ausdrucksweise der Dialoge unterbricht kaum diesen Fluß der Töne. Zuweilen wird in diesen Fortgang ein betörendes Lied geknüpft.

Neben den Angelegenheiten liebender Herzen bleibt alles andere banal. Die Ereignisse der Septemberrevolution von 1868 geben die düster-burleske Folie, worauf das ewige Drama der Liebe sich aufschwingt. Wenn der Aufrührer Anibal (Marian Kalus) in der deutschsprachigen Fassung von Stefanie Gerhold bekennen muß: „Wir riefen die Republik aus und dann (…) ging alles schief“, so klingt das wie eine sarkastische Anspielung auf die Ausrufung der Republik elf Monate vor der Uraufführung von „Luisa Fernanda“ im Frühjahr 1931. Die war schon vor dem Bürgerkrieg gescheitert, so wie sechs Jahrzehnte zuvor der Aufstand gegen Isabella II. mit der Wiedereinsetzung von König Alfons endete. Heute residieren längst wieder Bourbonen im Zarzuelapalast.

Der Beziehungsreichtum ist vielfach. Die Volksheldin Luisa Fernanda trägt bezeichnenderweise den Namen von Isabellas Schwester. Abgesehen von der klugen Entscheidung für die deutsche Sprache bedient sich die Aufführung keiner weiteren Anpassungen an den mitteleuropäischen Geschmack. Sie bedarf dessen um so weniger, als sie von Stimmen getragen ist, die an so einem kleinen Haus keiner vermuten würde. Der Grieche Angelos Samartzis als Javier Moreno ist der Held des Abends. Manos Kia als sein Rivale Vidal Hernando steht ihm nur geringfügig nach, ebenso die von beiden umworbene Sabine Noack in der Titelpartie. Mit der herrlichen Borniertheit der Liebe schlägt sich Vidal auf die Seite der Rebellion. „Auf die Idee gebe ich kein Wort“, singt er, als die Kameraden seinen revolutionären Elan rühmen. „Über die Täler der Verzweiflung führt eine Brücke der Hoffnung.“

Das Bürgerkriegsglück wendet sich mehrfach

Die veräußerlichte Schönheit dieser Melodien gibt den Sängern das Profil, in dem ihre Darstellung sicher vorangeht. Das Artifizielle bürgt für die Natürlichkeit des Gefühls. Wer in seinem Leben je liebte, wird von diesem Schmelz der Stimmen in eine atemlose Ekstase gerissen. Kollektive melancholische Erinnerung und prächtige Gegenwart machen das gemeinsame Erlebnis eines solchen Stückes aus.

Das Bürgerkriegsglück wendet sich mehrfach. Allein die Liebe der zwei Männer zu dem einen Mädchen und dessen Erwiderung nur auf den Einen bleibt bestehen. Don Vidal hört nicht auf seinen vorübergehenden Kumpanen, jeden Zweifel über seine heroischen Beweggründe zu nehmen: „Ich, der ich nichts als ein Mann bin, kämpfe allein für mein Herz.“ Die Rebellen sind immerhin froh, einen guten Schützen auf ihrer Seite zu wissen. Ritterlich wird der Rivale geschont, sobald er gestellt ist.

Als der Geliebte abermals fliehen muß, entsagt Luisa ihrer Herzensneigung, um sich diszipliniert dem obsiegenden Vidal hinzugeben. Der spürt, daß ihr Treuegelöbnis der feurigen Liebe entbehrt. Anders als bei Goethe, Storm und Stifter müssen hier nicht die Hochbetagten statt in der Liebe in der Treue ihre Erfüllung finden. Vidal tritt großmütig von seinem Recht zurück und läßt zusammenströmen, was die Natur einander zuleitet. 


Die nächsten Vorstellungen von„ „Luisa Fernanda“ finden am 10. und 16. März im Meininger Hof, Alte Freiheit 1, in Saalfeld statt. Kartentelefon: 0 36 72 / 42 27 66

 www.theater-rudolstadt.de