© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/18 / 09. März 2018

„Jeder will da hin“
Vor fünf Jahren präsentierte sich die neugegründete Alternative für Deutschland erstmals der größeren Öffentlichkeit / JF-Reporter Hinrich Rohbohm war dabei – zunächst skeptisch und dann überrascht von der immensen Resonanz

Die Motivation war Verhalten. Ein Besuch bei so einer eurokritischen Initiative, die als neue Partei durchstarten möchte. Hatten wir ja alles in den letzten Jahren zuhauf. Splitterparteien, die sich als Heilsbringer des Landes sehen und dann nach den ersten Wahlen als Nullkomma-Bewegung enden. Was also sollte bei dieser Initiative mit dem Namen „Alternative für Deutschland“ anders sein?

Bereits die Anreise ist mehr als ärgerlich. In Frankfurt ist Messezeit. Die Hotels sind teuer, die Zimmer ausgebucht. Wie kann man zu dieser Zeit ein Gründungstreffen im benachbarten Oberursel ansetzen? Schon das Timing stimmt nicht bei dieser Partei, schießt es durch den Kopf. Nein, das kann nichts werden mit denen. Ankunft am S-Bahnhof in Oberursel. Mit Koffer, ohne Hotel. Ab zur Halle, bringen wir es hinter uns. 

„Sie wollen zur Stadthalle, richtig?“ „Äh, ja. Woher wissen sie das?“ „Jeder will da gerade hin“. „Jeder? Ist da etwa noch eine andere Veranstaltung?“ „Nein, nein, die rechnen da mit 500 Leuten“, erzählt der Taxifahrer. Woher er das wisse? „Gerade habe ich einen der Organisatoren dort hinchauffiert.“ Naja, der kann ja viel erzählen. Klappern gehört zum politischen Alltagsgeschäft. 

Das Taxi bleibt stehen. Stau. Stau? Hier? In Oberursel? Das Telefon klingelt. Chefredaktion. „Sind Sie schon da?“ „Äh, nein. Noch nicht ganz. Hier ist ’n Stau.“ „Was? Wieso ist da denn ein Stau?“ „Keine Ahnung, wird sich sicher gleich herausstellen, ich rufe wieder an.“ Das glaubt mir hier keiner. 

Das Taxi erreicht die Stadthalle. Schnell bezahlen, rein in die Halle. So ist der Plan. Der geht erst mal nicht auf. Dichtes Gedränge am Eingang. Es sind viele gekommen sehr viele. Hektisches Personal. Stühle werden nachgeholt, Trennwände in der Halle aufgeschoben, um mehr Platz zu schaffen. 

Es sind keine 500 Zuhörer gekommen, sondern 1.300. Der Publizist und ehemalige FAZ-Redakteur Konrad Adam tritt ans Rednerpult (siehe Interview). Vermutlich dürfte er selbst nicht geahnt haben, welche reale Tragweite sein erster Satz haben sollte. „Die Zeit ist reif“, spricht er bedächtig ins Mikrophon. Starker Beifall brandet auf. Adam tritt als einer von vier Rednern auf. Die anderen drei sitzen ebenfalls auf dem Podium. Es sind der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Bernd Lucke, der emeritierte Volkswirtschaftsprofessor Joachim Starbatty, die Vorsitzende der Zivilen Koalition Beatrix von Storch sowie der Publizist und ehemalige hessische Staatssekretär Alexander Gauland, der an diesem Abend sogar noch Mitglied der CDU ist. 

Sie alle kritisieren Merkels EU-Politik und die sogenannte Euro-Rettungspolitik. Die Zuwanderung ist noch kein Thema; von geschichtspolitischen 180-Grad-Wenden oder türkischen „Kümmelhändlern“ ist im Saal nichts zu vernehmen. 

Allen – auch den Pressevertretern – wird klar: Hier an diesem 11. März 2013 in Oberursel könnte eine neue politische Kraft entstehen, die nicht als Splitterpartei endet. Auf dem Kriegsfuß mit den Medien befinden sich ihre Vertreter aber schon an diesem Abend. „Erzähl’ das alles hier später mal der Tagesschau. Viel Spaß, da wirst du dann zerrissen“, verschafft sich einer der Zuhörer Luft. Auch dieser Einwand sollte sich später bewahrheiten. 

(Grafiken siehe PDF)