© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/18 / 02. März 2018

Der Flaneur
Homogene Diversität
Claus-M. Wolfschlag

Schon wieder Multiball. Ich habe gegen R. keine Chance. Vor allem nicht an diesem Abend. Der Flipperautomat katapultiert mehrere Silberkugeln auf das Spielfeld. Unermüdlich schießt R. sie mit den Hebeln gegen die „Bumper“ und „Targets“. Punkte rauschen über die Anzeige. Da naht Erlösung. „Ein paar Frankfurter und Pommes“, ruft der Kneipenwirt und stellt den Teller auf den Tresen. Spielpause. 

Während ich esse, erzählt R. von seinem Arbeitstag in einem internationalen Großunternehmen. „Ich wollte früher gehen, aber traf ausgerechnet meinen Chef im Gang. Der fragte, ob ich schon in der ‘Diversity’-Ausstellung war. Er sei gerade auf dem Weg dorthin, und ich war nun irgendwie gezwungen, mitzugehen.“ Viele Graphiken zu Alter, Geschlecht und „Diversity“ in der Arbeitswelt waren zu sehen. „Großenteils nur Banalitäten“, sagt R.

Die Ausstellung sei reines Marketing. In Wirklichkeit verhalte sich die Firma intolerant.

Er ist genervt: „Das Thema wurde einem regelrecht aufgezwungen. Es gab kein eindeutiges Muß zum Hingehen, aber sozialer Druck bestand. Dabei hat es nie Probleme in unserer Firma gegeben. Da arbeiten Angestellte unterschiedlichen Geschlechts und anderer Nationalität, Schwule und Heteros, ohne Konflikte.“ Im Grunde sei die Ausstellung eine reine Selbstdarstellungs- und Marketingaktion. „Aber eine verlogene“, ergänzt er. Denn in Wirklichkeit verhalte sich die Firma gar nicht tolerant. Die Einstellungsauswahl sei sehr homogen. 

Würde ein Punker oder ein Transvestit zum Vorstellungsgespräch erscheinen, hätten sie keine Job-Chance. Alte werden gar nicht eingestellt. Auch ganz Junge nicht, weil die zu schnell die Firma wechseln. Und Frauen werde nach der Babypause der Wiedereinstieg erschwert. Eine Kollegin durfte nach der Schwangerschaft nur zurück, wenn sie eine schlechtere Position annahm. „Jenseits der Propaganda ist da nichts mit Vielfalt oder Chancengleichheit“, seufzt mein Freund. „Wie beim Pinball“, verziehe ich das Gesicht.