© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/18 / 02. März 2018

Der Fiskus drangsaliert Investoren
Grunderwerbsteuer: Zwischen Abgabenlast und Wohnungsnot besteht ein Zusammenhang
Henning Lindhoff

Niemand zahlt gern Steuern, aber selbst der liberale Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek gestand zu, „in einer entwickelten Gesellschaft sollte der Staat seine Macht der Steuererhebung nutzen, um eine Reihe von Diensten anzubieten, die aus verschiedenen Gründen nicht, oder nicht in ausreichendem Maße, vom Markt angeboten werden können“. Doch angesichts von 674,6 Milliarden Euro, die Bund und Länder 2017 eingenommen haben – 4,1 Prozent mehr als im Vorjahr und im Schnitt 8.150 Euro pro Kopf – kann der geschröpfte Steuerbürger schon ins Grübeln kommen.

Und es stellen sich neben ökonomischen auch moralphilosophische und juristische Fragen: Welche sozialen Auswirkungen haben Steuern? Zu welchem Zweck werden sie im Einzelfall erhoben? Wie oft? Und in welcher Höhe? Diese zeitlosen Fragen in den Blick zu nehmen lohnt sich auch, will man das Wesen des aktuellen Wohnungsnotstandes in deutschen Großstädten untersuchen.

Sprudelnde Einnahmequelle für Bundesländer

Schließlich müssen Häuslebauer und Immobilienkäufer auf die steuerlichen Gesetz- und Regelmäßigkeiten achtgeben. Besteht hier ein Zusammenhang zwischen Steuerlast und Wohnraumknappheit? Und anders als die Grundsteuer (JF 5/18) hat die Grunderwerbsteuer kräftig zugelegt. Von 2006 bis 2015 stieg ihr Aufkommen von sechs auf elf Milliarden Euro jährlich. Für 2018 werden 14,6 Milliarden Euro erwartet.

Seit zwölf Jahren dürfen die Bundesländer diese sprudelnde Einnahmequelle nach eigenem Gusto festlegen. Davon machen sie kräftig Gebrauch, zumal sie sonst kaum dis­po­ni­bele Steuerquellen haben. Die Länder nehmen inzwischen von 4,5 bis 6,5 Prozent, nur Bayern und Sachsen haben den Ursprungssatz von 3,5 Prozent beibehalten.

Die Grunderwerbsteuer belastet jedes Grundstücksgeschäft. Sie wird auf den Kaufpreis erhoben und nicht wie bei der Grundsteuer auf den alten Einheitswert, wodurch die Baunebenkosten kräftig steigen. Beim Verkauf eines bebauten Grundstückes wird auch der Anteil des Kaufpreises belastet, der auf das Gebäude entfällt, da dieses laut Gesetzgeber eine rechtliche Einheit mit dem Grundstück bildet. Wer sich etwa in NRW eine Wohnimmobilie für 300.000 Euro kauft, muß 19.500 Euro Grunderwerbsteuer ans Finanzamt zahlen.

Das Argument, die Grunderwerbsteuer ersetze die Steuerfreiheit bei der Mehrwertsteuer, ist ein rein formalistisches. Denn immerhin wird auf Spareinlagen oder Aktienkäufe ebenfalls keine Umsatzsteuer erhoben. Zudem unterliegen die Baukosten eines jeden Gebäudes bereits der Mehrwertsteuer, und diese werden dann zusätzlich noch mit der Grunderwerbsteuer belastet.

Weitere solcher Kumulationswirkungen entstehen, wenn ein Grundstück mehrfach übertragen wird. Denn die Grunderwerbsteuer fällt – bis auf wenige Ausnahmen – bei jeder Übertragung eines Grundstückes an. Für die Fälligkeit der Steuer genügt der formwirksame Abschluß eines Grundstückskaufvertrages, obwohl der Eigentumsübergang damit noch nicht bewirkt ist.

Auf diese Weise benachteiligt die Grunderwerbsteuer die Mobilisierung von Grundstücken und begünstigt die Weiternutzung in den bisherigen Eigentumsverhältnissen, auch wenn Nutzungsänderungen des Grundstücks eintreten, etwa in Form von Umnutzungen und Neubebauungen. Privathaushalte, insbesondere junge Familien, die sich ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung zulegen, werden stark belastet.

Insgesamt wachsen die Auflagen für vermietete Objekte seit Jahren stetig, so daß sich die Schaffung von Wohnraum in der Regel nur noch für große Verwaltungsgesellschaften lohnt. Sie können dank ihres Apparates besser mit Steuern und bau- wie mietrechtlichen Auflagen fertig werden.

Unerfüllte Wahlkampfversprechen

Die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung kündigte im Herbst 2017 eine Offensive zur Senkung der Grunderwerbsteuer an. Und im Jahr 2014 hatten die Fraktionen von FDP und CDU noch gegen die Steuererhöhung durch Rot-Grün gestimmt. Doch statt einer direkten Senkung wird im Düsseldorfer Koalitionsvertrag lediglich ein Freibetrag von 250.000 Euro versprochen – wenn der Bund sich daran beteiligt.

Der Grund ist klar: Während 14 der 16 Bundesländer für 2017 Haushaltsüberschüsse auswiesen, verzeichnete NRW trotz guter Konjunktur ein Haushaltsdefizit von 335 Millionen Euro. In Bremen betrug der Fehlbetrag 14,5 Millionen Euro. Daher nimmt die von NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach am 22. Februar angekündigte „Allianz für mehr Wohnungsbau“ die Grunderwerbsteuer nicht ins Visier. Das grün-schwarze Baden-Württemberg hätte hingegen angesichts von 2,1 Milliarden Euro Etatüberschuß keine Ausrede, den Steuersatz von fünf Prozent abzusenken.

Eine praktische Möglichkeit, die Grunderwerbsteuer etwas zu senken, besteht beispielsweise darin, das in der Immobilie befindliche Mobiliar oder auch die Einbauküche im notariellen Kaufvertrag genau zu bezeichnen, realistisch zu bewerten und speziell auszuweisen. Auch hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Möglichkeit abgesegnet (Aktenzeichen II R 38/14), die Bemessungsgrundlage zu drücken: Wer zuerst den Baugrund kauft und erst im Anschluß einen Hausbau in Auftrag gibt, muß die Grunderwerbsteuer nur auf den Grundstückspreis zahlen.

Auf echte Reformen, auf wirkliche Entlastung für Hauskäufer ist trotz der Steuerrekordeinnahmen kaum zu hoffen. Selbst eine Rückführung der Steuer­erhöhungen liegt, trotz vollmundiger Wahlkampfversprechen, in weiter Ferne. Und so wird die Steuergesetzgebung ein Ende der Wohnungskrise in Deutschland nicht herbeiführen können.

Grunderwerbsteuer-Rechner 2018:  www.smart-rechner.de

BFH-Urteil vom 8. März 2017 (Az.II R 38/14):  bundesfinanzhof.de/