© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/18 / 02. März 2018

„Weiße, ihr müßt alle sterben“
Südafrika: Drohende Enteignungen, Morde und stete Einschüchterungen setzen weiße Farmer unter Druck
Marc Zöllner

Ein Aufmarsch sorgt derzeit für kontroverse Diskussionen in Südafrika: Mehrere Dutzend Anhänger des Kongresses Südafrikanischer Studenten (Cosas) hatten sich vergangenen Monat vor der Overvall-Schule in Vereeniging, einer Kleinstadt südlich von Johannesburg, versammelt, um gegen ein Gerichtsurteil zu protestieren, welches es der Schulleitung gestattete, ihre Schüler weiterhin in Afrikaans, der Sprache der burischen Minderheit Südafrikas, zu unterrichten. Schon im Gerichtssaal war es damals zum Eklat gekommen, als die abgewiesenen Kläger drohten, „die Schule niederzubrennen“. Die 612 Schüler – darunter auch Schwarze – standen seitdem dauerhaft unter Polizeischutz. Den neuerlichen Aufmarsch der Cosas konnten allerdings auch die anwesenden Einsatzkräfte nicht unterbinden. Autoreifen brannten, und vor den wehenden Fahnen des African National Congress (ANC), der südafrikanischen Regierungspartei, skandierten die Protestler lauthals: „Weiße, ihr müßt alle sterben!“

Die große Mehrheit der Jungbauern scheitert

Es war ein offenkundiger Einschüchterungsversuch, dessen Art in Südafrika längst schon keine Seltenheit mehr ist. In den sozialen Netzwerken wurde das zugehörige Video zur Cosas-Demonstration seitdem über eine halbe Million Mal betrachtet. Der Zuspruch vieler Schwarzafrikaner zu diesem Vorfall erschreckt um so mehr. „Wir sind noch lange nicht fertig“, wird von Nutzern beispielhaft kommentiert. „Das war erst der Anfang.“

Südafrika befindet sich in einer tiefen Krise. Dies beweisen nicht nur Videos wie jenes aus Vereeniging. Zwar boomt der Export nach China, Indien, Europa und Übersee und konnte sich 2017 mit einem Volumen von gut 110 Milliarden Südafrikanischen Rand, umgerechnet gut acht Milliarden Euro, seit 2010 sogar auf sein Allzeithoch verdreifachen. Im gleichen Zeitraum stieg jedoch auch die Arbeitslosigkeit von 21 auf 28 Prozent rapide an. Und das von Jacob Zuma, dem Mitte Februar seines Amtes enthobenen Präsidenten der Kaprepublik (JF 9/18), initiierte Reformprogramm, das Land weißer Großgrundbesitzer partiell an schwarze Kleinfarmer zu übereignen, um dem fatalen Trend von Arbeitslosigkeit und Armut gerade in den ländlichen Regionen zu begegnen, verfehlte bislang jegliche Wirkung.

Mit einer Ausnahme: Der Kap-Provinz, jener Region um die Millionenmetropole Kapstadt. Entgegen sämtlichen anderen Provinzen Südafrikas, in welchen der ANC die Mehrheit besitzt, regiert hier die liberale, im Juni 2000 gegründete Democratic Alliance (DA), deren bis 2015 langjährige Vorsitzende Helen Zille – eine gebürtige Johannesburgerin mit deutschen Wurzeln – seit 2009 auch als Ministerpräsidentin am Kap fungiert. 

Zilles Bilanz läßt sich sehen, besonders in Hinblick auf die von der ANC-Regierung betriebene Bodenreform. Denn während in anderen Regionen des Landes bis zu 94 Prozent der schwarzafrikanischen Jungbauern schon in den ersten Jahren mit ihren Agrarunternehmen scheitern (JF 27/17), kann die Kap-Provinz immerhin einen positiven Verlauf von gut 62 Prozent aller Fälle vorweisen. „Bezüglich der landwirtschaftlichen Herausforderungen ist das eine bemerkenswerte Erfolgsquote“, bemerkte Zille kürzlich in einer Ansprache – nicht nur im Hinblick auf die anhaltende schwerste Dürre seit vierhundert Jahren, sondern ebenso hinsichtlich der sich zunehmend radikalisierenden Enteignungsdebatte unter Südafrikas neuem Präsidenten Cyril Ramaphosa.

Internationale Investoren werden abgeschreckt  

Zuletzt war dieser aus den eigenen Reihen des ANC, aber auch aus jenen der linksradikalen Oppositionspartei der Economic Freedom Fighters (EFF) unter Druck geraten, die seit Zumas Amtszeit standardisierte Verfahrensweise des „bereitwilligen Verkäufers, bereitwilligen Käufers“ – der Landenteignung nur nach vorheriger Genehmigung des Besitzers und nur unter Zahlung großzügiger Kompensationen – aufzugeben. 

Gerade die EFF sparten dabei nicht mit Drohungen auch direkt gegen den südafrikanischen Präsidenten. „Ich möchte ihn warnen“, richtete der EFF-Vorsitzende Ende Februar in der Nationalversammlung, dem Unterhaus Südafrikas, deutliche Worte an Ramaphosa. „Jeder, der sich gegen die Enteignung von Land ohne Kompensation wendet, ist der Feind unseres Volkes, und um eine solche Person werden wir uns noch kümmern.“

Der zwischen den Stühlen sitzende Ramaphosa hatte diese Warnung verstanden. „Die Landenteignung ohne Vergütung“, versprach das Staatsoberhaupt der Kaprepublik im Anschluß, „ist als eine der Maßnahmen vorgesehen, die wir nutzen werden, um die Umverteilung des Landes an schwarze Südafrikaner zu beschleunigen.“

Den Vorwurf der liberalen Opposition, daß diese „gleichen Rechte auch den Grundstein der gesamten Wirtschaft“ legten, wie der DA-Vorsitzende Mmusi Maimane mahnte, und eine entschädigungslose Landenteignung so wie im Nachbarland Simbabwe künftige Investoren in andere Sektoren abschrecken würde, verwarf Ramaphosas Vizeminister für Landreformen, Mcebisi Skwatsha, noch am selben Tag mit der Ankündigung, noch im März eine Arbeitsgruppe mit der Verfassungsänderung zu betrauen. Grünes Licht zu Ramaphosas Vorhaben, welches zur Verfassungsänderung zwei Drittel aller Abgeordneten des Unterhauses benötigt, hatte der ANC schon vergangenen Dezember auf seinem 54. Parteitag in Johannesburg gegeben.

Seitdem laufen nicht nur DA-Abgeordnete Sturm gegen Ramaphosas Enteignungsmaßnahmen, sondern auch die Wirtschaftsverbände des Landes. „Enteignung ohne Wiedergutmachung ist Diebstahl“, mahnte Ende Januar Louis Meintjes, Präsident der Transvaal Agricultural Union, des ältesten Agrarverbandes Südafrikas. „Investoren aus Übersee sehen dies ganz sicher im selben Licht.“ Auch Cas Coovadia, der Geschäftsführer des Bankenverbands Südafrikas, verdeutlichte: „Enteignungen höhlen Besitzrechte aus und führen dazu, daß Land nicht mehr als Sicherheit für Kredite taugt.“

 In ihre Hände spielt eine Umfrage des Human Sciences Research Council aus dem Herbst 2017. Der zufolge  sind über 60 Prozent der unterprivilegierten Südafrikaner überhaupt nicht an Landbesitz interessiert, sondern vielmehr „an besseren Jobs, besseren Wohnungen und besserer Gesundheitsfürsorge“.