© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/18 / 02. März 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Sein Liedlein bläst der Postillon
Paul Rosen

Die Post war früher so wichtig, daß aus privaten Transporteuren wie Thurn und Taxis schließlich ein staatlicher Dienst mit Monopol wurde. Beamte sortierten die Briefe und trugen sie aus. Die Post kam pünktlich, wenn nicht ein übel gelaunter Wachhund den Briefträger in die Flucht schlug. Daß Briefe verlorengingen, passierte zwar, aber selten. Das Briefgeheimnis als Schutzrecht des Bürgers vor dem neugierigen Staat wurde hoch in Ehren gehalten. 

Heute ist alles anders, aber nicht unbedingt besser geworden. Das mußte jetzt der Deutsche Bundestag erfahren. Im Hohen Haus ist das digitale Leben noch nicht richtig angekommen; es gibt zwar Maildienste, aber wenn es wirklich wichtig wird, muß das Faxgerät herhalten oder die Briefpost. Und mit der Post gibt es Probleme. Im Ältestenrat, in dem die Fraktionen über die Organisation des Parlamentsbetriebes beraten, kam kürzlich das Thema auf die Tagesordnung. Grund waren Beschwerden von Abgeordneten, daß wichtige Postsendungen auf dem Weg vom Bundestag in Berlin zu den Abgeordnetenbüros in der Provinz nicht angekommen seien. Darunter sollen auch Lohnsteuerunterlagen für die Beschäftigten gewesen sein.

Wie viele Unternehmen hat auch der Bundestag seinen hauseigenen Zustellbetrieb an eine private Firma „outgesourct“. Seitdem wird jeder neue Mitarbeiter im Haus, der einen oder mehrere Briefe ins „Postausgangskörbchen“ legt, beschieden, er habe sich auf eine Laufzeit von mindestens drei Tagen einzustellen. Daß auch noch Briefe verlorengehen, ist der traurige Höhepunkt einer Entwicklung, die den Fürsten von Thurn und Taxis wahrscheinlich die Tränen in die Augen getrieben hätte.

Verantwortlich für den Schlendrian, der sich im Alltag auch für jedermann immer häufiger bemerkbar macht, ist die Politik. Seitdem der letzte Postminister Wolfgang Bötsch (CSU) sein Amt mit der Aufteilung in die drei Unternehmen Telekom, Post und Postbank überflüssig machte, haben sich Politiker kaum noch für die Post interessiert. Selbst ein wochenlanger Streik beim Paketdienst der Post, bei dem Sendungen vermoderten und es auf den Posthöfen stank wie auf der Müllkippe, wurde achselzuckend hingenommen. Der letzte Abgeordnete, der sich noch regelmäßig mit Postangelegenheiten befaßte, war Klaus Barthel (SPD), Mitglied im Wirtschaftsausschuß des Bundestages. Doch Barthel schied mit der letzten Wahl aus dem Parlament aus. 

Längst ist die Aufsicht über das Postwesen vom Wirtschaftsministerium zur Bundesnetzagentur, einer nachgeordneten Behörde, verlagert worden. Dort spielt das Thema eine Nebenrolle. Unabhängige Laufzeitmessungen von Briefen gibt es schon lange nicht mehr. Die Post baut immer mehr Angebote ab. So muß zum Beispiel eine Unternehmerin auf dem Lande rund 40 Kilometer fahren, um dringende Post in einen Briefkasten mit Sonntagsleerung einwerfen zu können. Erst nach mehreren Beschwerden nahm die Post den Sonntagsbetrieb im nächsten Landstädtchen wieder auf. Die Politiker im Ältestenrat klagen über Probleme, die sie selbst verursacht haben.