© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

CD-Kritik: J. S. Bach – Christian Kälberer
Endverfugt
Jens Knorr

Für seine Aufnahme von J.S. Bachs fragmentarischem Zyklus von Fugen und Kanons „Die Kunst der Fuge“ hat Pianist Christian Kälberer aus Bachs eigenhändiger Reinschrift von Anfang der 1740er Jahre, wie sie 1987 als „Frühere Fassung der autographen Partitur“ bei Peters erschienen ist, eine Erstfassung zu rekonstruieren versucht. Sein Verfahren bezeichnet er als „Rückschreibung“. Die gebräuchliche, postum gedruckte Fassung von 1751 gilt ihm als die fragmentarische, die eigene als die authentische, die Handschrift Bachs, und nur diese, als dessen letzter Wille, ein „work in progress“ als „Werk in sich“. Einer Komposition des 18. unterstellt Kälberer einen Werkbegriff aus dem 19.Jahrhundert.

Kälberers Einspielung auf dem modernen Konzertflügel vertut den großen Aufwand der klugerfahrenen Vorarbeit, wie immer auch ihre Plausibilität zu werten wäre. Der Verfolg der Stimmen ermüdet, obschon Kälberer sie deutlich voneinander absetzt. Die lehrerhafte Leere seines Spiels, dessen didaktische Tempi und Ausdrucksabstinenz können schwerlich als Zeichen von Vergeistigung hingenommen werden. Nicht wächst hier das Gerüst mit dem Bau, das Gerüst will schon das fertige Bauwerk vorstellen.

Eine Ausnahmeinterpretation für ein Ausnahmewerk dokumentiert dieser, im Beiheft nicht datierte, Live-Mitschnitt nicht.

Johann Sebastian Bach Die Kunst der Fuge (Erstfassung) Thorofon 2017 www.bella-musica-edition.de