© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

In deutschen Ämtern stauen sich Patente
Innovation und Hochtechnologie: Unternehmen warten im Schnitt fünf Jahre auf eine Genehmigung
Christian Schreiber

Traditionell gilt Deutschland als Land der Dichter und Denker – und Erfinder. Nirgends sonst in Eu­ropa wurden derart viele Patente angemeldet. Allerdings könnte die deutsche Forschungsmacht an der eigenen Bürokratie ersticken, mahnte die Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts Cornelia Rudloff-Schäffer Anfang vergangener Woche in einem Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

„Wir schieben einen Berg von mehr als 200.000 offenen Patentprüfungsverfahren vor uns her.“ Pro Prüfer seien das bis zu 300. Man brauche daher 300 „zusätzliche Stellen, um das Tagesgeschäft zu bewältigen und die offenen Verfahren abzuarbeiten“ sowie um Markenprüfungen und IT-Aufgaben durchzuführen.

Die Entwicklungen verfolgt die 61jährige Juristin aufmerksam, denn Unternehmen müßten im Schnitt fünf Jahre auf ihr Patent warten. „Wir können ein Start-up nicht so lange vertrösten, bis dahin gibt es das Unternehmen nicht mehr oder es geht ins Ausland.“

Sie mahnt in der aufkommenden Debatte allerdings zu Gelassenheit. Schließlich seien in Deutschland aktuell mehr als 650.000 Patente in Kraft. Was die Anzahl der gültigen Patente pro 100.000 Einwohner angeht, liegt China noch um das 10fache zurück. „Aber das Land holt rasant auf. Zudem investiert China in ein System zum Schutz geistigen Eigentums, sie schaffen Patentgerichte, bis zuletzt wurden 11.000 Patentprüfer eingestellt“, erklärte sie. Das Ziel sei ein gut funktionierendes System wie in Europa, dazu solle die Zahl der Anmeldungen pro Einwohner verdoppelt werden.

Die noch gute Lage hierzulande unterstreichen die Zahlen für das Jahr 2016. Denn einschließlich der vom Europäischen Patentamt (EPA) für Deutschland erteilten Patente waren am Jahresende 2016 insgesamt 615.404 in der Bundesrepublik Deutschland gültig. Mit rund 25.100 europäischen Patentanmeldungen konnte die Bundesrepublik dabei ihre Spitzenposition vor Frankreich, der Schweiz sowie den Niederlanden halten. Bei weltweiten Anmeldungen beim EPA lag Deutschland hinter den USA auf Platz zwei.

In der Bundesrepublik kommen die meisten Anträge aus Baden-Württemberg und Bayern. Dort, wo viele forschungs- und entwicklungsfreudige Unternehmen wie Bosch, Daimler, BMW, Siemens und Schaeffler sitzen. Doch der exzellente Ruf Deutschlands in diesem Sektor hat sich herumgesprochen.

Um an technisches Wissen und Patente zu kommen, geben chinesische Investoren viel Geld speziell für deutsche Firmen aus. Rudloff-Schäffer warnte auch davor, daß im Rahmen von Firmenübernahmen „geistiges Eigentum“ außer Landes gerate. Beispielhaft sei das Robotikunternehmen Kuka (JF 09/17), das im vergangenen Jahr nach China verkauft wurde. In den USA spreche man von einem Frontalangriff, während man in Deutschland das Thema noch ausblende. 

Die Politik in Berlin hat mittlerweile immerhin ein Problembewußtsein erkennen lassen. „Es ist dringend notwendig, daß wir noch in diesem Jahr EU-weit ein schärferes gesetzliches Instrument an die Hand bekommen, um (...) Technologie- und Know-how-Abfluß wirksam entgegenzutreten“, sagte Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium der Welt.