© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

Finanzskandal beim deutschen Ikea
Steinhoff-Möbel: Auch der europäische Anleihenmarkt ist betroffen
Henning Lindhoff

Keine andere Aktie aus dem MDax steht so im Fokus der Anleger wie die des Möbelkonzerns Steinhoff – und das aus gutem Grund. Verloren die Investoren doch rund 90 Prozent, seitdem der Bilanz-Skandal der Holding im Dezember 2017 publik wurde. Auch deutsche Arbeitnehmer sorgen sich, gehört doch auch das Möbelhaus Poco zum Portfolio des Konzerns mit deutschen Wurzeln.

Diese reichen ins Jahr 1964 zurück, als Bruno Steinhoff in Westerstede (Niedersachsen) das Unternehmen als Möbelvertrieb gründete. Schnell spezialisierte er sich auf Import von Möbeln aus dem damaligen Ostblock. Nach dem Mauerfall kaufte Steinhoff einige seiner Zulieferer und investierte kräftig in die Produktion an osteuropäischen Standorten. Als Steinhoff International Holdings Ltd. schloß der Konzern seine Umstrukturierung 1998 ab und emittierte erstmals Aktien – an der südafrikanischen Börse in Johannesburg. Seitdem wächst Steinhoff international. Zwischenzeitlich galt die Firma als zweitgrößter EU-Möbelhändler nach Ikea.

Der tiefe Fall kam 2017: Aufgrund von Unregelmäßigkeiten in mehreren Jahresabschlüssen mußte Steinhoff-Chef Markus Jooste am 5. Dezember seinen sofortigen Rücktritt einreichen. Die Aktie verlor über 60 Prozent und sackte ab auf unter 25 Cent. Großaktionär und Aufsichtsratschef Christo Wiese übernahm das Ruder; die Aufsichtsratmitglieder Heather Sonn und Danie van der Merwe folgten rasch.

Nun geht es um die schiere Existenz 

Nun geht es um die schiere Existenz. Das neue Management sucht frisches Kapital, um den laufenden Betrieb aufrechterhalten zu können. Mit Conforama hat bereits eine Steinhoff-Tochter neue Kreditgeber finden können: Die französische Gesellschaft schloß eine dreijährige Finanzierungsvereinbarung mit Tikehau Capital. Das Volumen beläuft sich auf 115 Millionen Euro.

Zudem hat sich der Konzern von Anteilen an der PSG Group im Wert von 480 Millionen Euro getrennt. Hinzu kommt der Verkauf einer Beteiligung am französischen Internetportal Showroom Prive für 75 Millionen Euro. Und schließlich konnte bei Gesprächen mit Gläubigern am 26. Januar in London die Umstrukturierung der österreichischen Division vereinbart werden.

Die Untersuchung der Steinhoff-Konten und -Bücher durch Pricewaterhouse Coopers ist seit Wochen im Gang. Die bereits dreimal neu terminierte Veröffentlichung der Geschäftszahlen für 2016/17 wird laut Management nicht vor Juni stattfinden können. Daher drohen Strafzahlungen an die Börse Frankfurt und der Rauswurf aus dem MDax.

Die Krise hat somit eine geldpolitische Dimension

Von der weiterhin schwierigen geschäftlichen Situation sind nicht nur Aktionäre, sondern auch Halter der Anleihen betroffen. Zu diesen gehören nach Informationen des Recherche-Netzwerks von NDR und Süddeutsche Zeitung auch große Finanzinstitute wie die BayernLB, Commerzbank und UBS. Ausgerechnet die bayerische Landesbank hat noch 50 Millionen Euro an Steinhoff verliehen. Die UBS hat im vierten Quartal 2017 Kreditverluste in Höhe von nahezu 80 Millionen Schweizer Franken verbucht. Ein großer Teil davon soll aus den Deals mit Steinhoff stammen.

Und selbst die Europäische Zentralbank (EZB) hatte bis zum Jahresende 2017 noch eine Anleihe der europäischen Tochter von Steinhoff mit Fälligkeit im Jahr 2025 in den Büchern. Die Steinhoff-Krise hat somit auch eine geldpolitische Dimension.

Denn im Rahmen ihres Anleihenkaufprogramms hat die EZB seit 2016 132 Milliarden Euro investiert und sich dabei auf die großen Ratingagenturen verlassen, von denen auch Steinhoff ein „Investment Grade“ bekam. Infolge des massiven Kaufprogramms wurde die Kreditwürdigkeit von unter anderem Steinhoff massiv erhöht.

Analysten der Bank of America Merrill Lynch Global Research warnten bereits am 10. Januar vor einem zu hohen Druck auf der Käuferseite. Sollte die EZB weiter so dominant auftreten, würde die Anleihenblase schnell platzen, da nun „auch weniger kreditwürdige Anleihenemittenten von den Käufern nicht kritisch genug analysiert werden“.