© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/18 / 16. Februar 2018

Empört euch, Leute!
Hommage an die Opfer der Pariser Terroranschläge: Eine große Plastikskulptur von Jeff Koons sorgt für Riesenwirbel
Richard Stoltz

Empörung ist „in“. Man kritisiert nicht mehr, wenn einem etwas nicht gefällt, man macht sich nicht mehr darüber lustig und bleibt im übrigen gelassen, sondern man „empört“ sich, gerät sofort  außer Rand und Band, produziert Schaum vor dem Mund. So wie jetzt in Paris, wo man sich auch in feinsten Kreisen darüber empört, daß es der berühmte New Yorker Konzeptkünstler Jeff Koons wagt, der Stadt als Geste der Kondolenz für die schweren Terroranschläge eine angeblich unpassende, geradezu freche Gedenkskulptur schenken zu wollen.

 Koons Skulptur ist ein gigantischer Strauß holländischer Tulpen – aus Plastik!  Das, so tobt die Pariser Kunstszene, sei nichts geringeres als ein Anschlag des US-Imperialismus à la Donald Trump auf Frankreichs Ehre. Plastik kommt von Erdöl, Erdöl aber, so tönt es, sei ein typischer Bestandteil amerikanischer Globalpolitik, welche den Terror ja erst ermöglicht und angetrieben habe! Außerdem habe Koons sein „Geschenk“ nicht einmal selber finanziert, sondern von steuerbegünstigten französischen Mäzenen bezahlen lassen. Empört euch, Leute, empört euch!

Aber warum denn?, möchte man verwundert fragen. Um die Mißlungenheit von Koons Konzeptkunst zumindest für diesen aktuellen Fall zu kennzeichnen, hätte es doch genügt, auf die monumentale Schnapsidee hinzuweisen, farbenprächtige, süß duftende lebendige Tulpen in Plastik nachzubilden.

Sie, wie es sich traditionellerweise für Skulpturen gehört, in Stein statt in Plastik abzubilden, hätte die Affäre übrigens kaum verbessert, eher sogar verschlimmert. Einen erbärmlichen Terrorakt in Stein zu meißeln, würde ihn  ja geradezu adeln, ihn in eine Dimension der Erinnerung rücken, die er wahrhaftig nicht verdient.

Was aber die Tulpen betrifft, so weiß jeder Bildhauer: Pflanzen in Stein zu hauen, ist wie Eulen nach Athen tragen. Denn sie sind von sich aus Symbole des ewigen Lebens, einerlei ob und wie man sie abbildet.